Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Sorge um den Euro - Kommentar von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Sollte der französische Sozialist Hollande, wonach es aussieht, am Sonntag die Wahl gewinnen, droht eine schwere Euro-Krise. Das ist der wahre Kern des Streits zwischen Hollande und der Kanzlerin Merkel. Frankreich geht es schlecht. Ob Staatsverschuldung, die Arbeitslosigkeit von alten und jungen Menschen, wohin man schaut, unser Nachbar steht schlechter da als Deutschland. Noch vor zehn Jahren war es auf vielen Feldern umgekehrt. Dann kamen in Deutschland die Reformen, die mit dafür sorgten, heute als Gewinner der Krise dazustehen. Mehr als zwei Drittel der Franzosen wollen keine Reformen, Hollande will die Uhr sogar zurückdrehen. Der Staatsanteil am französischen Sozialprodukt beträgt 56 Prozent, so viel wie nirgendwo sonst in Europa. Aber Hollande will 60 000 neue Lehrer einstellen. Er will keine Ausgaben kürzen, sondern Steuern erhöhen. Das Rentenalter soll nicht steigen, sondern sinken - auf 60 Jahre. Italien, Frankreich, Spanien - überall wird gespart. Nur Frankreich will nicht. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, was das heißt: Es wird Spekulationen gegen Frankreich geben, Frankreichs Bonität wird abgewertet, es gibt ohnmächtige Debatten über die Macht der Märkte, alles das, was man seit Griechenland kennt. Und dann entsteht dieses Szenario: Entweder Hollande bricht seine Versprechen, der Euro geht über die Wupper, oder Deutschland zahlt. Merkels Sorge hat also Gründe.
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