Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Sieben Jahre Angela Merkel - Kommentar von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Sieben Jahre. Nach sieben Jahren war Helmut Schmidt am Ende. Nach sieben Jahren war Helmut Kohl am Ende. Nach sieben Jahren war Gerhard Schröder am Ende. Und Angela Merkel? Ihr geht es nach sieben Jahren wie Konrad Adenauer nach sieben Jahren: Gut. Länger als zwei Wahlperioden könnten sozialdemokratische Kanzler nun einmal nicht regieren, hat Schröder nach dem Ende seiner zwei Wahlperioden erzählt. Dann habe ihre Partei sie verschlissen. Andererseits war die CDU mit Kohl Anfang 1989 so gut wie durch und die meisten rechneten mit einem Wahlsieg Oskar Lafontaines. Kohl hatte mehr als eine Handvoll hochkarätiger Gegner in der eigenen Partei, fest entschlossen, den schwarzen Riesen umzuhauen. Seine Regierung agierte zunehmend chaotisch und plagte sich mit Kleinkriegen. Es ist im Prinzip genauso wie mit Merkels Regierung. Nur, dass Merkel keinen einzigen Gegner hat in ihrer Partei, allenfalls eine zaghafte Gegnerin. Diese Art von Alternativlosigkeit hat sie wiederum mit Adenauer gemein. Die Deutschen vertrauen Merkel, selbst bei den Anhängern der Grünen liegt sie im direkten Vergleich mit Peer Steinbrück vorne. Und doch: Adenauer schaffte im achten Jahr seiner Regierung die absolute Mehrheit, zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte der Bundesrepublik. Merkels achtes Jahr kann ihr hingegen das Ende ihrer Kanzlerschaft bringen. Absolute Mehrheiten sind in milieu-entwöhnten, individualisierten, postindustriell tickenden Wohlstandsgesellschaften so wahrscheinlich wie Strandwetter im Dezember. Das wird das eigentliche Thema sein auf dem CDU-Parteitag, der heute beginnt. Wieso es passieren kann, dass die Union, obwohl sie über die beliebteste Kanzlerin und Parteichefin verfügt, in die Opposition wechseln muss. Es gibt nicht den einen einzigen Grund dafür. Einer heißt FDP. Sicher, kaum jemand mag noch liberal sein. Aber gegen den sozialökologischen Zeitgeist müssten doch wenigstens fünf Prozent möglich sein. Das Problem ist, dass zwar vielleicht fünf Prozent liberal sein wollen, aber weniger als fünf Prozent erfolglos liberal. Die FDP hat für ihren Niedergang nicht einmal sieben Jahre benötigt.
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