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WAZ: Teure Fehlplanung beim Verkehrsnetz. Kommentar von Dietmar Seher

Essen (ots)

Eine große japanische Zeitung hat sich bei Landesverkehrsminister Michael Groschek gemeldet. Die Japaner wollten wissen: Wie kann es sein, dass im so perfekten, reichen und wirtschaftlich stabilen Deutschland Autobahnbrücken bröckeln und Verkehrsnetze verfallen? Viele Deutsche, die ihre Steuern zahlen, fragen sich das auch. Die Antwort hat eng mit den Umwälzungen von 1989 zu tun. Als die Mauern in Europa fielen, vervielfachten sich die Handelsströme. Der Lastverkehr brandete über die alten Grenzen auf das damals schon angejahrte und störanfällige Straßennetz. Wenn ein Lkw aber zehnmal so schwer wie ein Pkw ist und deshalb die Fahrbahn zwangsläufig ruiniert, muss repariert werden. Im "alten Westen" unterblieb das. Das Geld wurde in den Aufbau Ost geschleust. Jetzt präsentiert der Alltag die Rechnung: Schlaglöcher, Rostflicken, geplatzte Schweißnähte. Sieben Milliarden Euro zusätzlich im Jahr wird man brauchen, um das Versäumte nachzuholen. Das dauert dann 15 weitere Jahre. Die marode Leverkusener Rheinbrücke steht als Symbol für die Fehleinschätzungen der jüngsten Vergangenheit. Ihre immer häufiger fälligen Not-Sperrungen zeigen, wie schnell die Wirtschaft leidet, wenn die Nervenstränge einer Volkswirtschaft nicht mehr funktionieren. Firmen aus dem Sauerland lassen ihre Schwertransporte erst nach Süden rollen, um dann über Niedersachsen nach Holland zu finden. Es gibt keinen anderen offenen Weg. Auch die Bahn, die beste Alternative zum Straßenverkehr, muss kapitulieren: Schwere Frachten passen nicht durch die Tunnelquerschnitte, die vor 100 Jahren erdacht wurden. Und 100 Jahre wurde hier nichts getan. Deutschland steht mit der grundlegenden Reparatur seiner Infrastruktur vor einer Herausforderung, die von Umfang und politischer Bedeutung her vergleichbar ist mit den großen sozialpolitischen Reformwerken bei Rente und Pflege. Hier wie dort geht es auch um die Kernfrage: Wer soll das bezahlen? Vielleicht hören wir die Antwort nach der Bundestagswahl. Die Maut, die Nachbarstaaten längst erheben, scheint eingepreist. Die Schuldenbremse, die spätestens 2020 wirkt, lässt keine andere Chance.

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