Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Die SPD, die Steuern, der Hund - Kommentar von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Über Merkel wird in der SPD gemäkelt, die CDU-Frau habe SPD-Versprechen geklaut, um die Christdemokraten sympathischer zu machen, als sie sind. Nun allerdings beginnt die SPD damit, SPD-Versprechen zu klauen. Lästerer werden anmerken, vielleicht wolle ja nun auch die SPD sympathischer erscheinen, als sie ist. Aber lassen wir das. Tatsache ist: Sowohl Kandidat Steinbrück als auch Parteichef Gabriel sprechen nicht mehr von den Steuererhöhungen aus ihrem Programm, sondern von Steuersenkungen, was sich die FDP kaum noch traut. Sind Steuererhöhungen für die SPD plötzlich nicht mehr gerecht? Und warum räumen die sozialdemokratischen Wahlkämpfer ausgerechnet eines der wenigen Ziele weg, das Rote noch von Schwarzen unterscheidet? Nur die Suche nach der Liebe des überwiegend steuermuffeligen Wahlvolks kann es nicht sein. Wäre Buhlen um Zuneigung das Ziel der SPD, hätte sie besser von vorneherein darauf verzichtet, den Steuerzahlern rund sieben Milliarden Euro mehr als die ohnehin schon zahlen, abknöpfen zu wollen. Dahinter steckt Taktik. Immer mehr Sozialdemokraten erklären, auch die SPD dürfe eine Große Koalition nicht ausschließen, was die Grünen ätzend finden (müssen). Auch Merkel erklärt, sie wolle eine Große Koalition nicht ausschließen, was die Liberalen ätzend finden (müssen). Für sich genommen sind solche Anmerkungen Binsenweisheiten, schließlich gab es bereits zwei Große Koalitionen, beide ganz erfolgreich. Aber knapp fünf Wochen vor der Wahl wirkt das Geraune absichtsvoll platziert - wie eine programmatische Aussage. Zumal Rot-Grün derzeit so weit von der Wirklichkeit entfernt scheint wie ein Dobermann vom Veggie-Day. Rot-Grün nicht wahrscheinlich, Schwarz-Gelb nicht sympathisch. Rot-Schwarz trifft indes die Erwartung der meisten Menschen in Deutschland, die von einer halbroten, halbschwarzen Merkel weiter regiert (oder in Ruhe gelassen) werden wollen. Merkel sei die beste Kanzlerkandidatin, die die SPD je hatte, ist geschrieben worden. Gegenüber Steinbrück ist das grob ungerecht, vielleicht kommt es aber trotzdem so. An den Steuern wird es jedenfalls kaum mehr scheitern.
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