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WAZ: Sigmar und Bruce, zwei Helden - Kommentar von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Er musste sich von der eigenen Partei schon als Siggi Pop verspotten lassen. Er hat eine Landtagswahl verloren. Er hat eine Bundestagswahl verloren. Er sollte als SPD-Chef kippen. Ein geborener Verlierer. Nächste Woche wird Sigmar Gabriel Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland. Er bleibt nicht nur SPD-Chef, sondern ist es unangefochtener denn je, demnächst nach Willy Brandt derjenige, der dieses eigentlich unmögliche Amt am längsten innehat. Wie konnte das passieren, dieser Sieg aus aussichtsloser Lage, der heute und morgen hollywoodreif inszeniert wird, mit ihm als Helden - Stirb langsam, Sigmar, du Bruce Willis der deutschen Politik? Mit 25,7 Prozent Wählerstimmen hat Gabriel 50 Prozent Sozialdemokratie durchgesetzt, er hat beinahe doppelt so stark abgeschnitten, wie es gerecht gewesen wäre. (Was wieder einmal zeigt, dass Machtgefühl und Taktik in der Politik mehr zählen als Mathematik, anders gesagt: Wir haben eine Parteien-, keine Wählerdemokratie.) In der SPD ist der Ungeliebte, skeptisch Beäugte zum Unangefochtenen geworden. Beide Effekte hat Gabriel mit einem Instrument erreicht: mit der Mitgliederbefragung. Dieses aus Verlegenheit ersonnene Werkzeug der Sozialdemokratenbesänftigung hat Gabriel zum Erpressungswerkzeug ausgebaut. Erpresst hat Gabriel die eigenen Genossen und die CDU. Die Sozialdemokraten hat er mit der Androhung zur Räson gebracht, bei Ablehnung drohe der Verlust der gesamten Führung. Damit hat er aus möglichen Neinsagern Totengräber gemacht. Angela Merkel hat er mit der Drohung weichgeklopft, Unnachgiebigkeit in der Sache habe Machtverlust zur Folge. Gabriel hat hoch gepokert, Merkel hat gezuckt. Wer zuckt, verliert. Kurz vor Weihnachten geht die dritte deutsche Große Koalition ins Amt. Dem Land wird sie wohl nicht gut bekommen, vielleicht steht an deren Ende die Entzauberung der Legende, Große Koalitionen erzeugten große Lösungen. (Liebe Leser, sollte die Mitgliederbefragung schief laufen, werden wir uns bei Ihnen wegen mangelnder Weitsicht entschuldigen.)

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