Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Schwarz-rote Scharmützel. Kommentar von Walter Bau
Essen (ots)
Mit ihren Koalitionsverhandlungen ließen sich Schwarze und Rote reichlich Zeit bis zur Unterschrift. Nun, da die Tinte unter dem Vertrag gerade trocken ist, scheinen beide Seiten es umso eiliger zu haben mit dem Zoff. Was die Tonlage vor allem zwischen SPD und CSU betrifft, fühlte man sich in den letzten Tagen erinnert an die endlosen Koalitionsscharmützel zu schwarz-gelben "Gurkentruppe"-Zeiten. Was passiert da gerade? Zum einen befinden sich manche Sozialdemokraten immer noch im Oppositions-Modus. Motto: Wenn die CSU mal wieder den Stammtisch bedient, wie aktuell beim Thema Zuwanderung, wird reflexartig zurückgekeilt. Dass man jetzt gemeinsam mit den Bayern am Kabinettstisch sitzt und die Differenzen somit intern regeln könnte, haben einige Genossen wohl noch nicht realisiert. Auf der anderen Seite rächt sich schon früh, dass im Koalitionsvertrag manches im Ungefähren gelassen wurde. Beispielsweise bei der Pkw-Maut oder beim Mindestlohn. Was bei Sondierungen und Verhandlungen nicht zu klären war, muss nun auf offener Bühne zu Ende gebracht werden. Und weil gerade die neu im Amt befindlichen Minister ein größeres Bedürfnis nach Profilierung haben, hält der eine oder andere wenig von Rücksichtnahme auf den noch ungewohnten Koalitionspartner. Das muss aber nicht zwingend zum großen Problem für die Koalition werden. Denn es war ja klar, dass Schwarz-Rot keine Liebesheirat, sondern ein Zweckbündnis auf Zeit ist und dass zudem im Koalitionsvertrag die eine oder andere Sollbruchstelle lauert. Deshalb ist es gut, dass diese kritischen Punkte frühzeitig angesprochen werden, statt sie des lieben Bündnisfriedens zuliebe auf die lange Bank zu schieben. Mindestlohn und Zuwanderung etwa stellen drängende Probleme dar, die angegangen werden müssen - auch wenn's dabei gelegentlich knirscht. Entscheidend ist, dass Schwarz-Rot intern eine Arbeitsgrundlage findet, auf der sich zumindest für die drei, vier wichtigsten Probleme inhaltlich und politisch tragfähige Lösungen erstellen lassen. Dann darf man es nach außen hin ruhig auch mal verbal krachen lassen.
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