Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit. Kommentar von Frank Preuß
Essen (ots)
Dreieinhalb Jahre hat es gedauert bis zu dieser Anklageschrift. Dreieinhalb Jahre, in denen nicht nur Opfer und Hinterbliebene der Loveparade-Katastrophe immer wieder gefragt haben: Warum geht es nicht schneller? Die Wunden sind tief und werden nicht verheilen. Aber um je so etwas ähnliches wie Frieden zu finden, war die Hoffnung stets groß, dass die Verantwortlichen möglichst bald zur Rechenschaft gezogen würden. Die Juristerei aber ist Ergebnis einer kühlen Recherche, die sich weder Druck noch Stimmungen unterwerfen darf und bei der die Gründlichkeit Vorrang hat. Eine Gründlichkeit, auf die mögliche Angeklagte das gleiche Recht haben wie die Opfer. Der Prozess um die Duisburger Tragödie wird das menschliche Gerechtigkeitsgefühl einer harten Prüfung aussetzen. Dazu reicht der Blick auf die, die angeklagt werden und besonders auf die, die nicht angeklagt werden. Wie kann es sein, dass der damalige Oberbürgermeister nur als Zeuge vorgeladen wird, wie ist es möglich, dass auch der Veranstalter nicht auf der Anklagebank Platz nehmen muss? Lässt man die Großen laufen und schnappt sich nur die Kleinen? Es mag schwer zu ertragen sein, aber Recht kann unsere Sehnsucht nach Gerechtigkeit nicht immer befriedigen. Staatsanwälte können moralische Schuld geißeln, sie aber nicht zum Inhalt einer Anklage machen. Was Adolf Sauerland anbetrifft, so haben die Duisburger getan, was sie tun konnten: ihn aus dem Amt gejagt. Angeklagt werden die, bei denen Staatsanwälte davon ausgehen, dass sich ihre Schuld im juristischen Sinne nachweisen lässt. Im Fall des Loveparade-Dramas offenbart sich die Tragik dieser Logik. Der Wunsch ganz oben, etwas unbedingt möglich zu machen, ist groß - wer auf den unteren Ebenen wehrt sich oder hält etwaigen Widerstand mit Blick auf die persönlichen Konsequenzen durch? Nach dreieinhalb Jahren nähern wir uns nun einem Prozess. Das ist gut. Aber vor Enttäuschungen, wenn eines Tages die Urteile gesprochen werden, sind wir damit nicht sicher.
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