Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Finanzpolitischer Glücksfall - Kommentar von Tobias Blasius zum Landeshaushalt
Essen (ots)
Der Sozialdemokrat Hans Wertz ist fast 90 Jahre alt geworden. Den ersten NRW-Landeshaushalt ohne neue Schulden seit 1973, als der Aachener selbst das Finanzministerium führte, hat er knapp nicht mehr miterlebt. Wertz starb im Jahr 2012. Sein Genosse und heutiger Amtsnachfolger Norbert Walter-Borjans wollte sich eben nie beteiligen "am Wettlauf um die schwarze Null", wie er stets Kritikern entgegen hielt.
Obwohl die Steuereinnahmen bereits seit 2010 rekordverdächtig sprudeln und die Zinsen historisch im Keller sind, nutzte Walter-Borjans die Spielräume lieber für zusätzliche Lehrerstellen, Kitaplätze und Flüchtlingsausgaben. Ohne Kredite wollte das mit über 137 Milliarden Euro verschuldete Nordrhein-Westfalen erstmals 2020 wieder auskommen, wenn die verfassungsrechtliche Schuldenbremse keine andere Wahl mehr lässt. Hart gespart wurde nie.
Dass die rot-grüne Landesregierung nun trotzdem im Haushaltsvollzug 2016 völlig überraschend mit einem historischen Einnahmeplus abschließen kann, ist ein finanzpolitischer Glücksfall. Die Steuereinnahmen übertrafen alle Erwartungen, der Bund überwies erhebliche Summen für die Flüchtlingsversorgung, Verschiebungen bei Pensionslasten und der Rückgriff auf den landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb zeigten bilanzkosmetische Wirkung.
Walter-Borjans ist hoch anzurechnen, dass er all diese Sondereffekte offen einräumt und ehrlich klarstellt, dass er 2017 schon wieder auf seine geplanten Kreditermächtigungen über 1,6 Milliarden Euro zurückgreifen könnte. Zu Euphorie gebe es keinen Anlass, sagt er, der sich in schlechten Zeiten als "Herr der Haushaltslöcher" verspotten lassen musste. Statt sich nun als "Meister der schwarzen Null" zu feiern, bleibt Walter-Borjans sich und seiner Politik der kleinen Haushaltsschritte auch in der für ihn so günstigen Stunde treu.
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