Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Kanzler lädt Unionschefs zur Spitzenrunde: Bloß nicht nur Schau! - Leitartikel von Rolf Potthoff
Essen (ots)
5,2 Millionen Arbeitslose, dazu Ungezählte, die um ihre Jobs, um die Zukunft ihrer Familien bangen und eine verbreitete Perspektivlosigkeit - dieses unheilvolle Gemenge hat jenen Druck erzeugt, der zum Gipfel der Großen führte. Ob sie ihn wollten oder nicht. Jetzt wird sich bis zum 17. März aller Aufmerksamkeit auf die Runde richten. Zu einem Event wird es hochgewertet werden. Und bei nicht wenigen Menschen in der Republik wird gar der Eindruck entstehen, dieser Abend könne die schwierige Lage der Nation fünf Minuten vor zwölf noch zum Besseren wenden. Doch, ohne in Schwarzmalerei zu verfallen, allzu große Hoffnungen mit diesem Treffen sollte niemand verbinden. Das könnte man tun, dürfte man unterstellen, der Gipfel käme allein mit dem festen Willen bei allen zustande, vorbehaltslos und denkverbotsfrei Lösungen zu finden. Aber das ist anzuzweifeln. Unter dem öffentlichen Druck kann der Kanzler nicht anders, als auf die Gesprächsbereitschaft der Opposition einzugehen, und seien sie noch so fadenscheinig. Sonst setzte sich Schröder sich dem Vorwurf der Verantwortungslosigkeit aus. Und die NRW-Wahl steht vor der Tür. Der Union ihrerseits nutzt die gegenwärtige Lage als Chance, staatspolitische Mitverantwortung zu demonstrieren. Und sei es nur auf dem (Briefwechsel-) Papier. Denn wie sich abzeichnet, gehen beide Seiten mit einem Katalog ins Treffen, der Gift für die jeweils anderen enthält. Siehe Lockerung des Kündigungsschutzes, siehe die Abschaffung der Eigenheimzulage. Auch beim Antidiskriminierungsgesetz liegen Welten zwischen beiden. Das Treffen hat jedoch nur Sinn, wenn es nicht zu einer Schauveranstaltung wird. Alle nationalen Reformwerle der Vergangenheit kamen in großen Sachkoalitionen zustande. Sogar das hart umstrittene Hartz-IV-Werk war trotz aller Anfeindungen mit Kompromissbereitschaft möglich. Genau die ist im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit nötig. Die Republik wartet darauf.
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