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WAZ: Debatte um den Feinstaub geht weiter: Mitten im Dreck - Leitartikel von Lutz Heuken
Essen (ots)
In Deutschland läuft was schief. Die Debatte um den Feinstaub bietet dafür geradezu eine Parabel. Schon 1999 wurde die entsprechende EU-Richtlinie beschlossen, 2002 in deutsches Recht umgesetzt, seit diesem Jahr ist sie in Kraft. Interessiert hat das bislang (fast) niemanden. Doch plötzlich bricht ein Sturm los, als wären Gesetz und Dreck just vom Himmel gefallen. Jeder mischt mit, keiner fühlt sich verantwortlich. Da sind Bund, Länder und Kommunen, die sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben. Wer ist für die Umsetzung der Richtlinie denn nun verantwortlich? Auch die Medien tragen zum deutschen Dilemma bei: Noch vor Jahresfrist landete der Feinstaub in vielen Gazetten allenfalls auf den hinteren Seiten. Jetzt, da es eigentlich zu spät ist, werden die Schlagzeilen erobert. Je skurriler die Forderungen, desto größer die Buchstaben. Straße befeuchten! Sonntagsfahrverbote! Kurzfristige Panikmaßnahmen, wo langfristiges Gegensteuern gefragt wäre. Vor allem aber blamiert sich die Autoindustrie. Es ist ja nicht wahr, dass die deutschen Hersteller die Entwicklung eines Rußpartikelfilters jahrelang verschlafen hätten. Nein, die Branche hat die Einführung des Filters geradezu aktiv boykottiert. Die Industrie, die so penetrant bessere Standortbedingungen in Deutschland anmahnt, treibt die verunsicherten Diesel-Kunden geradezu in die Hände der französischen Konkurrenz. Die deutschen Diesel-Fahrzeuge ohne Filter werden zu Ladenhütern, das Gejammer wird wieder groß sein. Wir stecken also mitten in der Staub-Krise. Und man könnte zynisch fragen: Muss der Kanzler nicht spätestens jetzt in Brüssel intervenieren? Mit Macht und Druck Übergangsfristen für das gebeutelte Deutschland sichern? Wäre das nicht die Lösung?! Zur Erinnerung: Laut einer EU-Studie sterben jedes Jahr 65 000 Menschen in Deutschland an den Folgen des Feinstaubs. Interessiert das eigentlich jemanden?
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