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WAZ: Unklare Positionen bei den Volksparteien: Wie Getriebene - Leitartikel von Angela Gareis
Essen (ots)
Die Angst der Volksparteien vor dem Volk kann das Volk immer deutlicher besichtigen. Am Montag berieten die Parteispitzen über ihre Wahlkampfprogramme, aber sowohl SPD-Chef Franz Müntefering als auch die CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidatin Angela Merkel wollten sich im Anschluss lieber zur Europapolitik äußern, weil das Scheitern des EU-Gipfels an Klarheit kaum zu überbieten ist, was man von der Zukunft Deutschlands nicht behaupten kann. Bei allem Verständnis dafür, dass die Parteien ihre Programme in Kürze lieber kompakt vorstellen möchten, muss man sich wundern, wenn sie ihre Positionen auf einmal wie Staatsgeheimnisse hüten. Das verstärkt den Eindruck - bei der Union auch durch die widersprüchliche Fülle der bereits geäußerten Einzelmeinungen -, dass im Schutz des Schweigens mit einiger Ratlosigkeit an den notwendigen Reformen des Landes gearbeitet wird, immer mit dem Blick auf die Frage: Wie viel Wahrheit darf man dem Wähler zumuten? Bei Müntefering klingt das durch, wenn er überlegt: Wo ist der Punkt, an dem man die Menschen erreicht? Bei Merkel hört man es heraus, wenn sie sagt, dass sie bestimmte Worte (Einschnitte, Kürzungen, oder Grausamkeiten?) am liebsten gar nicht mehr in den Mund nehmen möchte und ganz allgemein auf den Mut setzt. Die Angst der Volksparteien nährt sich auch aus den innerparteilichen Machtkämpfen um Posten und um inhaltliche Positionen, die insgesamt die Bandbreite zwischen sozial und neoliberal abdecken. Und Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, die im Links-Links-Bündnis den Wählern die Welt von vorgestern versprechen wollen, tragen ein Übriges zur Verunsicherung bei. Momentan kommen die Volksparteien wie Getriebene daher, was kein guter Zustand sein kann, wenn man harte Wahrheiten verkünden muss, glaubwürdig Lösungen anbieten und Vertrauen gewinnen will.
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