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WAZ: Die Rechtschreibreform gerät erneut ins Gerede: Mit Gruß und Kuß - Leitartikel von Gudrun Norbisrath
Essen (ots)
Das hatte gerade noch gefehlt neues Theater um die Rechtschreibreform. Dabei hat die Kampagne von Stoiber und Rüttgers vermutlich weniger mit brennender Sorge um die deutsche Sprache zu tun als mit dem Wahlkampf, der schon aus allen Ecken grüßt. Bei Rüttgers kommt hinzu: Er greift nur zu gern ein Thema auf, mit dem er sich von seinem Vorgänger abhebt. Man kann das schon verstehen: Geld hat er keins, und auch sonst ist in NRW zur Zeit nicht viel griffige Politik zu machen. Mit der Rechtschreibreform aber ist ein ausgesprochen populäres Ärgerthema angesprochen. Viele regen sich darüber auf. Dabei darf unterstellt werden, dass Umfang und Bedeutung des Regelwerks vielen wenig bekannt sind. Erstaunlich, aber wahr nur den wenigsten ist bewusst, dass sie kaum betroffen sind. Tatsächlich stellt die Rechtschreibreform nur diejenigen vor neue Aufgaben, die sich in ihrem Arbeitsalltag schriftlich verständigen müssen. Also Schüler der mittleren und oberen Klassen den Kleinen kann es egal sein, ob sie lernen, Rad fahren zu schreiben oder radfahren. Studenten, die ihre Arbeiten abliefern, Wissenschaftler, die Abhandlungen verfassen müssen. Verlage, Behörden. Das war's schon im Wesentlichen. In privaten Liebesbriefen darf jeder weiterhin Mit Gruß und Kuß schreiben, wenn er das gerne möchte. Das Getöse, das jetzt entfacht wird, ist überflüssig und ärgerlich. Nach ersten vernünftigen Überarbeitungen sollte die Reform nun schrittweise, aber zügig verwirklicht werden, damit Sicherheit und Verbindlichkeit einkehren. Im Übrigen darf man fragen, wieso die Einsicht zumindest bei Stoiber so spät kommt. Der Kultusministerkonferenz, die die Beschlüsse zur Rechtschreibreform gefasst haben, gehörten auch die Minister der unionsgeführten Länder an, und die Ministerpräsidentenkonferenz sagte einstimmig Ja dazu. Die Politik wäre gut beraten, wenn sie die Entscheidungskompetenz bei den Experten beließe.
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