Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westdeutsche Allgemeine Zeitung mehr verpassen.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Eine Schicksalswahl wird es nicht: Am Sonntag geht es vor allem ums Tempo - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Droht am Sonntag eine Schicksalswahl? Wenn die Linke
nur noch vom Kündigungsschutz redet und die Rechte von der
Pendlerpauschale, wie Matthias Matussek im „Spiegel” über das
Wahlkampf-Klein-Klein klagt. Was ist das Neue diesmal?
Vor vier Jahren wollte die Linke in ihrer Tradition als
Fortschritts-Formation bewegen, heute will sie bewahren. Schröder
lobt seine Leistungen, aber schweigt über seinen Zukunfts-Entwurf.
Hat er einen? Hatte er einen? Mit Hartz IV habe Schröder die Seele
der SPD verraten, urteilt CDU-Mann Geißler. Wann wäre es Schröder um
die Seele seiner Partei gegangen? Hat er anderes im Sinn gehabt als
Regieren auf Sicht, hat es ihn gestört, im sozial- oder
steuerpolitischen Niemandsland zwischen Zu- und Abbau zu mäandern wie
ein eigenwilliger Fluss durch eine grüne Wiese?
„Ausgerechnet der Reformkanzler Schröder schürt die Angst der
Wähler vor Reformen”, wundert sich Giovanni di Lorenzo in der „Zeit”.
Genau dies, das Diskontinuierliche, das Widerrufen eigener Ziele,
bereitet Schröder kein Problem. Erst hat er Reichen die Steuern
gesenkt, jetzt will er sie ihnen wieder erhöhen; seinerzeit erschien
ihm das eine aktuell, heute eben das andere. Heute will er Wahlen
gewinnen – um mit denen weiter zu regieren, die nicht mehr mit ihm
wollten, folgt man seinen Einlassungen gegenüber dem Präsidenten –
wie das?
Und die Konservativen? Sie haben, kommentiert die „taz”, den
„miserabelsten Wahlkampf der bundesdeutschen Geschichte geführt”,
Debakel an Debakel gereiht. Schuld daran hatten weniger Heckenschüsse
ihrer Rivalen. Der tiefere Grund: Unter Merkel nabelt sich die CDU
von ihrer Bewahrer-Tradition ab. Aus den Konservativen formt Merkel
eine Partei der Bewegung.
Ist sie überhaupt in der CDU? Gut, sie hat ein
christdemokratisches Parteibuch, aber das hatte Ludwig Erhard
irrtümlicherweise auch. Merkel bricht mit der CDU-Geschichte, nicht
weil sie Ossi ist und Frau, sondern weil sie eine Liberale ist. Darum
fremdeln viele so heftig; auch, weil sie bislang für ihren Kurs kaum
Vertrauen stiftet.
Ein Wahlkampf des Missvergnügens, der „Unerheblichkeit”, wie
Helmut Schmidt stilsicher urteilt, geht zu Ende. Sicher, es geht um
Richtungen; mehr als das aber um Deutschlands Bewegungs-
Geschwindigkeit. Zur Beruhigung: Das Schicksal des Landes steht am
Sonntag nicht auf dem Spiel.

Rückfragen bitte an:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Telefon: (0201) 804-0
Email: zentralredaktion@waz.de

Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung