Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Dem Zerfleischen der Matadore folgt . . .: . . . die Arbeit. Wäre das schlecht? - Leitartikel von Ulrich Reitz
Essen (ots)
Aus gegebenem Anlass einige ungeordnete Anmerkungen zur großen Koalition. Deren Hauptbotschaft würde wohl lauten: Keine Experimente. Deshalb ist diese Hochzeit angeschossener Elefanten bei Intellektuellen und solchen, die sich fühlen als ob (Journalisten etwa) so unbeliebt; wegen der Abwesenheit des Experimentellen, Künstlerischen, Geheimnisvollen.
Nur so erklärt sich die schnelle Karriere von Jamaika. Das Exotische als ein die Fantasie fesselndes buntes Gegenbild zum grauen Konventionellen. Nur leider eben: Unrealistisch und darum zerbröselt von den Taktikern allerorten, diesen Realos des maximal erreichbaren Mittelmaßes. Pragmatiker werden diese Fantasielosen genannt. Allerdings stellen sie die Mehrheit.
Große Koalition, das bedeutet soziologisch betrachtet, den Zusammenschluss der größtmöglichen gesellschaftlichen Mitte: von Handwerksmeistern über Beamten bishin zu Facharbeitern. Ohne den Genannten immerhin garantieren sie über Jahrezehnte demokratische Stabilität, was in Zeiten allge-meiner Verunsicherung schon sehr viel zählt zu nahe treten zu wollen: in einer Garküche kulinarischer Extravaganz müssten schon andere Leute kochen.
Keine Experimente, das entstammt den Fünfzigern, der etwas muffigen, grandiosen Wohlstand-für-alle-Zeit. Heute ist der Slogan womöglich gar reaktionär: damals näherte sich die Bundesrepublik dem Wirtschaftswunder-Zenit, heute steuert sie dem ökonomischen Desaster entgegen. Von Siemens bis VW die Vorzeige-Firmen der deutschen Nachkriegs-Industrialisierung bauen Tausende Jobs ab, und ernten bemerkenswerterweise nicht Krawall, sondern apathische Resignation. Die Staatskasse ist weder voll noch leer, sondern ein hoffnungsloser Sanierungsfall; der Staat verhält sich wie ein Vater, der den Kindern das Dach über dem Kopf geklaut hat. Wer da weiter so will wie bislang, versucht sich am Unmöglichen er schützt die Vergangenheit vor der Zukunft.
Ob nun Israel mit Schröder oder die Remis-Alternative mit Merkel und mehr SPD-Ministern: es droht eine Periode des wuseligen, richtungsblassen Wurstelns. Es passieren Sachen, die heißen: Föderalismusreform. Wie uninspiriert das schon klingt. Wenn es halbwegs gut läuft, wird es eine Zeit des Arbeitens. Angesichts anderer, destruktiver Möglichkeiten nicht einmal das Schlechteste aller Übel. Zumal: Pflicht und Fleiß, waren das nicht mal deutsch- typische Tugenden?
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