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WAZ: Gipfeltreffen bei Angela Merkel: Energie als Überlebens-Frage - Kommentar von Angela Gareis
Essen (ots)
Kaum ein Gut ist so geeignet, die Gesetze der Globalisierung zu erklären, wie die Energie. Auf den internationalen Märkten bestimmen Angebot und Nachfrage die Preise, und Verbraucher in Deutschland spüren unmittelbar, was beispielsweise der Energiehunger heranwachsender volkswirtschaftlicher Giganten wie China oder Indien bewirkt. Öl und Gas werden teurer.
Bedauerlicherweise ist das Thema Energieversorgung in Zeiten der Globalisierung sperrig, aber die enorm gestiegenen Kosten für Benzin, Strom, Heizöl und Erdgas schärfen das allgemeine Interesse. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit dem Energie-Gipfel dem Thema eine neue Wertigkeit gegeben, und Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat es zu einem zentralen Objekt deutscher Außenpolitik erklärt. Denn im weltweiten Kampf um die immer knapper werdenden Rohstoffe verändert sich das Machtgefüge.
Der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine hat gerade erst eindrücklich die politische Dimension der Energiefrage vorgeführt und die Abhängigkeit des rohstoffarmen Europas von mehr oder meist minder lupenrein demokratischen Ländern. Neue Allianzen bilden sich, wie zwischen den USA und Indien oder China und Russland. Und die Tatsache, dass die größten Erdölreserven im Nahen Osten liegen, also in Saudi-Arabien, Iran und Irak, beweist die politische Sprengkraft der Brennstoffe.
Zu Zeiten von Rot-Grün wurde über Energie relativ luxuriös diskutiert, immer im (gewiss notwendigen) Zusammenhang mit dem Umweltschutz. Es gab die gute Energie von Windrädern und Solaranlagen und die schlechte Energie von Atomkraft und Kohle. Die fast spontan eingetretene öffentliche Erkenntnis, dass die Energieversorgung eine Überlebensfrage darstellt, auf die es keine sichere Antwort gibt, sollte alle Parteien motivieren, diese ideologiefrei zu suchen. Auch über die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken muss mindestens gesprochen werden können, ohne dass die SPD den Koalitionskrach ausruft. Eine wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung darf nicht politischen Wünschen unterliegen, sondern muss so frei erfolgen, wie die Gesetze der Globalisierung es vorschreiben.
Dass erneuerbare Energien im Energiemix berücksichtigt bleiben, ergibt sich ohnehin zwingend, denn diese Technologien sind ein Exportmarkt der Zukunft, und Deutschland steht in der Forschung an der Spitze. Aber die Freude über die guten Windräder und Solarzellen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch sie sich als wettbewerbsfähig erweisen müssen.
Möglicherweise liegt die Zukunft in der Biomasse oder im Wasserstoff. Möglicherweise wird man ohne Atomkraft nicht auskommen können. Möglicherweise aber doch. Sicher ist nur, dass ein Denken in engen ideologischen Grenzen der Globalisierung nicht gerecht wird.
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