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WAZ: Der Papst in Bayern Zwischen Klimawandel und Trendwende - Kommentar von Angelika Woelk

Essen (ots)

Von heute an wird für sechs Tage vor allem ein Mann
im Mittelpunkt stehen: Papst Benedikt XVI. Er wird am Nachmittag 
heimatlichen Boden betreten und schon jetzt steht ganz Bayern Kopf. 
Hunderttausende Menschen wollen sich auf den Weg machen, um ihn live 
zu erleben. Das Fernsehen wird rund um die Uhr dabei sein. Ein 
Medienhype kündigt sich an. Aber ist der Besuch des deutschen Papstes
in seiner Heimat nichts weiter als ein Medienhype? Hat die Kirche 
nichts von diesem Besuch?
2005, das bleibt jedenfalls festzustellen, war das Interesse an 
der katholischen Kirche groß wie kaum zuvor. Papsttod, Konklave, die 
ungeahnte Wir-sind-Papst-Euphorie, der Weltjugendtag - das waren 
außergewöhnliche kirchliche Großereignisse. Und es gibt tatsächlich 
nicht wenige die sagen, die Kirche habe - auch - davon profitiert.
In dem Land, in dem die Mitgliederzahlen der Kirchen von Jahr zu 
Jahr weiter sanken, setzt inzwischen so etwas wie eine ganz zarte 
Umkehr ein. Die Kirchenaus-tritts-Welle ist zwar längst nicht 
gestoppt, aber sie nimmt erheblich an Schwung ab. Gleichzeitig melden
die neuen "Wiedereintrittsstellen" stetig anwachsende 
Eintrittszahlen. Der Herder-Buchverlag ist verblüfft über das große 
Interesse an den Büchern aus der Feder von Joseph Ratzinger. Und 
Claudia Roth, die Vorsitzende der Grünen, gesteht plötzlich, dass sie
eigentlich Claudia Benedikta heißt. Jetzt könne man das ja offen 
sagen, meint sie, es sei "gesellschaftlich anerkannt".
Das alles sind alles Anzeichen eines vorsichtigen Klimawandels. 
Die Menschen haben ein neues Bedürfnis nach Religion, Spiritualität 
und nach Orientierung. Die entscheidende Frage ist aber, ob die 
Kirche, ob Papst Benedikt, dieses Bedürfnis auf Dauer wird 
beantworten können, ob aus dem Klimawandel eine echte Trendwende 
wird.
Zweifel sind da angebracht. Denn die Menschen strömen zwar dem 
Papst entgegen, aber die Kirchenbänke zuhause bleiben häufig leer. 
Wenn der Papst predigt, hören sie zu, was jedoch der Priester sagt, 
empfinden sie vielfach als banal. Und dass das Kirchenvolk nach der 
rigiden Morallehre lebte, glaubt nicht einmal der frömmste 
Kirchenmann in Rom. Kirche und Alltag der Menschen klaffen häufig 
auseinander.
Metaphysisches Bedürfnis auf der einen Seite, Dogmen auf der 
anderen - wenn es Papst Benedikt gelänge, beide Pole glaubhaft zu 
verknüpfen, vielleicht würde das eine Trendwende für die Kirche 
beflügeln. Benedikt jedenfalls wäre dies zuzutrauen.

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Telefon: (0201) 804-0
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