Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Papst-Besuch beendet: Die Wandlung zum Freund der Menschen - Kommentar von Angelika Wölk
Essen (ots)
Bayern im Papst-Rausch: Sechs Tage lang feierten die Menschen Papst Benedikt wie einen Superstar. Sie bereiteten ihm einen ergreifend warmherzigen Empfang. Und immer schwang auch ein bisschen Wehmut, ein bisschen Rührung mit, denn dieser Besuch war für den 79-jährigen Mann zu allererst ein Heimatbesuch - wie er selbst mutmaßt, vielleicht sein letzter.
Warmherzig, aufrichtig berührt, zeigte sich aber auch der Papst. Er betörte durch seinen zurückhaltenden Stil und leise Töne. Er verurteilt nicht, er mahnt, er maßregelt nicht, er wirbt für seine Sicht des Glaubens. Wer hätte das von dem einstmals so strengen, unnachsichtigen Glaubenspräfekten gedacht? Was man in Bayern erleben konnte, das war die Wandlung vom kühlen Glaubenshüter zu einem Freund der Menschen.
Aber der Besuch war nicht nur Heimatbesuch. Der Papst wollte einem durch und durch säkular gewordenen Land auch neue Glaubensimpulse mitgeben. Er tat das mit bemerkenswerter Klarheit. Und er versuchte Antworten auf Fragen zu geben, die ihn seit Jahren bewegen und die sich zu seinem großen Thema entwickeln: Es ist die Frage, ob Glaube und Vernunft, ob Gott und Moderne, überhaupt zusammenpassen. Ein Thema, mit dem sich die Kirche seit der Aufklärung so unendlich schwer tut. Wenn auch die Antworten des Papstes nicht jeden Zweifler überzeugen mögen, so wird Benedikt dennoch diese Debatte neu entfachen und inspirieren. Für die Kirche ist das eine große Chance, Glaubwürdigkeit, auch bei Intellektuellen, zurückzugewinnen.
Eine andere Chance hingegen ließ der Papst leider ungenutzt. Er hat keinerlei Reformen angedeutet, kein einziges Signal zur Ökumene ausgesandt. Dabei sind die Erwartungen gerade bei der Ökumene nirgendwo sonst so hoch wie im Land der Reformation. Doch der Papst blieb vage. Für viele Christen war das tief enttäuschend.
Sechs Tage lang erreichten uns Bilder, die zeigten, dass die katholische Welt in Bayern offenbar noch in Ordnung ist: Weihrauch, lebendige Tradition, kraftvolle Choräle. Doch die freundlichen Bilder können nicht darüber hinweg täuschen, dass Bayern nicht repräsentativ ist für die Kirche.
Wohin aber der Papst diese Kirche führen wird, das blieb hinter all der beeindruckenden Emotionalität undeutlich. In die Vergangenheit, so viel ist wohl sicher, will er sie nicht treiben. Aber in die Zukunft? Bisher ist das nicht mehr als eine fromme Hoffnung. Aber was wäre das Christentum ohne Hoffnung?
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