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WAZ: Putin in Dresden: Ein Mann mit vielen Gesichtern - Kommentar von Angela Gareis

Essen (ots)

Wladimir Putin hat Deutschland gestern sein
wohlerzogenes Gesicht gezeigt. Staatsmännisch und freundlich 
präsentierte sich der russische Präsident an der Seite von 
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich in anderer Gesellschaft 
vermutlich wohler gefühlt hätte.
Putin hat viele Gesichter, er kann extrem desinteressiert 
dreinschauen, während eine grenzenlose Öffentlichkeit entsetzt auf 
den Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja reagiert. Er kann 
grausam aussehen, wenn er westlichen Journalisten jede Frage nach 
Menschenrechten in Tschetschenien verletzend scharf abschneidet. Er 
konnte strahlen, als er im Bundestag in kultiviertem Deutsch den 
Kalten Krieg beendete.
Putins Gesichter spiegeln die Facetten seines unberechenbaren 
Landes. Die einstige Supermacht auf ihrem verwirrenden Weg zwischen 
Totalitarismus und Demokratie ist ein enorm schwieriger Partner für 
den Westen. Aber ein Partner. Mit ihm umzugehen, erfordert hohe 
diplomatische Kunst und vor allem Vorsicht.
Als der staatliche Konzern Gasprom die Ukraine mittels 
Energieentzug erpresste und seine Expansionspläne in Europa mit der 
Drohung verband, die Gaslieferungen bei Behinderung zu drosseln, 
offenbarte Putin seine Strategie, mit Gas und Öl die verlorene Macht 
zurückzuerobern. Die russische Wirtschaft wächst im achten Jahr an 
den gewaltigen Ressourcen, und sie kauft sich zusehends in Konzerne 
des energieabhängigen Europas ein.
Symbol dieser Politik ist die Ostsee-Pipeline, zu deren 
Betreiberkonsortium neben Gasprom (51 Prozent) Eon und BASF gehören. 
Dass Gerhard Schröder dem Aktionärsrat vorsteht und offenbar auch den
Sponsorenvertrag zwischen Gasprom und Schalke befördert hat, zeigt, 
wie kalkulierte Expansion funktionieren kann: langsam über Fußball an
den deutschen Verbraucher herandribbeln und dann direkt beliefern.
Weil Schröder trotz Sehhilfe in Putin einen "lupenreinen 
Demokraten" sah und das deutsch-russische Verhältnis mit Zügen einer 
Bruderschaft ausstattete, changiert die Politik unter Schwarz-Rot 
einer neuen Beziehung entgegen. Politisch distanzierter soll sie 
geraten, bei enger werdenden wirtschaftlichen Bindungen. Die 
Kanzlerin propagiert die "strategische Partnerschaft" (und wünscht 
sich eine Freihandelszone mit den USA), und Außenminister 
Frank-Walter Steinmeier verfolgt die "Annäherung durch Verflechtung".
Kein lupenreines Konzept, aber womöglich ein passendes.

Rückfragen bitte an:

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Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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