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WAZ: Jahr eins nach Joschka Fischer: Grüne suchen nach Profil - Kommentar von Hendrik Groth
Essen (ots)
Der Grünen-Parteitag im Jahr eins nach Joschka Fischer macht deutlich: Eine Kraft, die die Partei nach dem Machtverlust in Nordrhein-Westfalen und dem Bund nach vorne zieht, eine solche Persönlichkeit fehlt. Im Bundestag spielen die Grünen nur noch eine Außenseiterrolle. Trotz aller Schwierigkeiten steht die Große Koalition für den Moment und als Chefrepräsentant der Opposition hat sich der liberale Guido Westerwelle mit Geschick etabliert.
Für die Grünen ist es deshalb schwierig, Themen zu besetzen, Beachtung und Bedeutung zu finden. Die Gesetze der Mediengesellschaft sind brutal, kein Fernsehteam stürmt auf grüne Abgeordnete, nur weil sie sich zu Afghanistan oder zur Steuerpolitik äußern. Und auf den Sesseln diverser Talk- shows ist der Populismus à la Gysi und Lafontaine kurzweiliger als die Betroffenheit von Claudia Roth. Davon wollte Roth mit ihrem schrillen Auftritt in Köln ablenken und die Gelegenheit beim Schopf packen. Mit Getöse und noch lauterer Stimme wollte die Obergrüne auf sich und ihre Partei aufmerksam machen. Das gehört zu ihrem Naturell, beeindruckend war es nicht.
Die Grünen befinden sich in einer Selbstfindungsphase, in einer dringend notwendigen Erneuerung. Für die prominente Grüne Antje Vollmer liegen die Gründe für die fehlende Autorität der Parteispitze an dem Mangel an eigenen Ideen. Professionelles Politikmanagement fehlt auch noch. Es wirkt bizarr, wenn die Landesvorsitzenden Schneckenburger und Klocke fast zeitgleich Interviews geben und dabei die jeweils andere Meinung konterkarieren.
Die Pragmatiker plädieren für einen schwierigen Spagat. Sie wollen sich den Konservativen öffnen, ohne rot-grüne Wechselwähler zu verschrecken. In NRW gibt es schon länger die vorsichtige Absetzbewegung von der SPD. Die Kontakte einiger Grüner mit Rüttgers-Leuten gelten als gut. Strategisch macht das Sinn, denn sich in der Opposition an eine große Partei zu ketten, die ihren eigenen Weg nach dem Regierungsverlust sucht und bislang nicht gefunden hat, führt ins Abseits.
Im Moment bleibt nur eines. Die Suche nach einer Klammer für eine Partei, die sich lange als Bewegung verstanden hat. Diese Klammer heißt Umweltschutz. Konkret: Klimaschutz. Doch hier gibt es längst Konkurrenz. Bundesumweltminister Gabriel (SPD) positioniert sich mediengerecht. Auch die FDP arbeitet nach jahrelanger Ignoranz an ihrem Umwelt-Profil. Es wird den Grünen nicht leicht fallen, Führungskompetenz zu beweisen.
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