Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Deutsch-polnische Eiszeit: Warschau überdreht - Kommentar von Hendrik Groth
Essen (ots)
Für einige der in Deutschland unbekannten, dafür in Polen umso kritischer gesehenen "Preußischen Treuhand" stellt die Oder-Neiße-Linie nicht die deutsch-polnische Staatsgrenze dar, sondern lediglich eine "Verwaltungsgrenze". Die radikale Splittergruppe, in der sich ein paar Wenige organisiert haben, klagt jetzt vor dem Straßburger Tribunal für Menschenrechte auf Rückgabe ihres Eigentums, das sie durch Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg verloren haben. Staatsrechtler sehen auf Grund der Propaganda dieser Organisation und wegen ihrer Klage eher dringenden Handlungsbedarf für Psychiater als für Juristen.
Die Bundesregierung und auch Erika Steinbach vom Bund der Vertriebenen haben sich eindeutig und unmissverständlich von der "Preußischen Treuhand" distanziert, können aber in einem Rechtsstaat keine Klagen, seien sie noch so abenteuerlich, verhindern. Dass der Vorgang von ganz rechts außen politisch dennoch nicht zu den Akten gelegt werden kann, zeigt die Reaktion des abgeklärten Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann. Es sei für alle ein Schlag ins Gesicht, die jahrzehntelang für eine Aussöhnung gekämpft haben, formulierte der Bischof scharf. Unmut und Zorn werde durch die Klage geweckt.
Diese Wut instrumentalisiert nun die rechtspopulistische Regierung in Warschau, die ihr antideutsches Feindbild dank deutschem Extremismus weiter pflegen kann. Mit der realen Politik hat das gar nichts zu tun, mit einer Normalisierung der Beziehungen zweier Staaten im Rahmen der Europäischen Union auch nichts. Warschau stellt den deutsch-polnischen Grenzvertrag infrage, mit dem die Oder-Neiße-Grenze als endgültige Grenze 1990 bestätigt wurde. Damit fördert die Regierung Kaczynski bei ihrer eigenen Bevölkerung Unruhe, löst vielleicht sogar wirklich Angst aus.
Man kann der wirren Kaczynski-Politik tatsächlich unterstellen, dass Konsequenzen solcher Art erwünscht sind. Deutschland sucht ganz nach dem Vorbild der deutsch-französischen Freundschaft den Ausgleich zu seinem Nachbarn im Osten. Keine demokratische Partei, kein Repräsentant der Bundesrepublik hegt Gebietsansprüche oder will Häuser zurück. Auch die ganz große Mehrheit der Vertriebenen will Verständigung und europäische Partnerschaft. Die nicht nur von Kardinal Lehmann beobachteten "Irritationen auf Regierungsebene" werden wahrscheinlich erst dann abgestellt werden können, wenn in Warschau wieder seriös regiert wird. Unter Kaczynski ist das nicht möglich.
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