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WAZ: Weshalb der Rücktritt schwer fällt: Zum Beispiel Stoiber - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Edmund Stoiber ist nicht der erste Groß-Politiker,
der an der Kunst des eigenen Abgangs scheitert. Vor ihm 
demonstrierten dies Gerhard Schröder (als er polternd nicht begriff, 
abgewählt worden zu sein), Helmut Kohl (den Merkel via F.A.Z aus dem 
CDU-Vorsitz schubsen musste), Helmut Schmidt (der zur eigenen 
Erhebung der FDP einen Verrat anheften wollte), Willy Brandt (der 
lange Wehners Eiseskälte nicht verstehen wollte), Kurt Georg 
Kiesinger (der am Wahlabend 1969 als Sieger selig schlafen ging, um 
am nächsten Morgen als schlechter Verlierer aufzuwachen), schließlich
Konrad Adenauer, als er zu guter Letzt zur Machtverlängerung gar noch
Bundespräsident werden wollte. Die Mächtigen und ihr Amts-Ende: 
Weshalb mündet das so oft in eine Tragödie?
Wider die Erfahrung unterliegen die meisten dem Irrtum, ihre 
eigene Nachfolge noch selbst regeln zu können. Das glaubt auch 
Stoiber. Dabei ist er, durch eigenes kommunikatives Fehlverhalten, 
schon jetzt nicht mehr Herr seiner selbst. Auch Kohl glaubte lange, 
seinen Nachfolger selber einsetzen zu können - oder hat er da mit 
Wolfgang Schäuble, dem er mehrfach versprach, zu seinen Gunsten 
abtreten zu wollen, in Wahrheit nur gespielt?
Natürlich ist dies eine alte Weisheit: Politik ist eine Droge. 
Sie schafft sich über die roten Teppiche und das selbst ausgesuchte 
Umfeld der Bewunderer ihre eigenen Abhängigkeiten. Weshalb sollte 
jemand freiwillig gehen, der jeden Tag von wirklich intelligenten 
Menschen erzählt bekommt, warum die Chose ohne ihn auf keinen Fall 
läuft? Der, kaum in der Öffentlichkeit, meistens sogleich Beifall 
bekommt, also ständige Bestätigung erfährt, zur Zufriedenheit auch 
von Frau und Familie tagtäglich sein Selbstwertgefühl päppeln kann? 
Der selbst noch die Niederlage als Bestätigung seiner Größe erfährt, 
weil sie öffentlich dokumentiert wird? Weswegen sollte er erkennen 
wollen, dass 90 Prozent des Beifalls inszeniert sind, die 
wahrgenommene Realität mithin nur Sinnestäuschung ist?
Wenn Politik eine solche Droge ist, dann kann man sich Politiker 
wohl vorstellen als: Junkies im Dauerrausch. Oft ist ihnen über die 
Jahre in dieser Kunstwelt die Haltung verbogen worden. Viele meinen, 
sie seien wichtig als Person und darum unersetzbar. Dabei ist 
unersetzbar nur das Amt. Weshalb sonst glaubt Stoiber so reden zu 
können, als seien Bayern und er ein und dasselbe? Ein Gutes steckt 
auch in diesem Schlechten: Er kam noch stets, der erste Tag ohne die 
Macht. Es ist der Feiertag, an dem die Demokratie über die 
Verblendung siegt.

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Rückfragen bitte an:
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Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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