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WAZ: Bush und der Klimaschutz: Das Volk hat ihn überholt - Leitartikel von Jürgen Polzin

Essen (ots)

Für George Walker Bush war Kohlendioxid bis vor
kurzem noch nicht einmal ein Luftschadstoff. Über viele Jahre hinweg 
haben er und die US-Regierung bestritten, dass es einen direkten 
Zusammenhang gibt zwischen menschlichen Aktivitäten und der globalen 
Erwärmung. Mit dem Satz "Das Kyoto-Protokoll ist tot" versenkte er 
2001 das einzige internationale Klimaschutzabkommen in den 
transatlantischen Fluten. Seitdem hängen die Klimadiplomaten der 
Vereinten Nationen an den Lippen des US-Präsidenten, warten auf eine 
Geste: Wann endlich, so fragen sie sich, entdeckt Bush die Umwelt?
49 Minuten sprach George Walker Bush in seiner Rede zur Lage der 
Nation (oder war es die zur Lage des Präsidenten?), und er sagte 
Überraschendes. Der Klimawandel sei eine "ernsthafte 
Herausforderung"; der Spritverbrauch müsse gesenkt, der Anteil 
alternativer Energien vervielfacht werden. Diese Sätze rasen um die 
Welt, getragen von der Hoffnung vieler Menschen, dass Bush die 
Gefolgschaft für seine harte Irak-Politik nun erkaufen will mit dem 
Einlenken im internationalen Klimaschutz. Doch bewegt sich Washington
wirklich?
George Walker Bush wird sicherlich weder als Retter des 
Weltklimas in die Geschichte eingehen, noch will er sich aus freien 
Stücken den Blauen Umweltengel auf seine Aktentasche kleben. Bush 
kündigt verbindliche Spritsparziele für das Jahr 2017 an. Dabei wird 
er schon 2009 das Weiße Haus verlassen.
In Wirklichkeit ist es nicht Washington, nicht der US-Präsident, 
der die Weichen auf ernsthaften Klimaschutz stellt. Das amerikanische
Volk ist ihnen längst vorausgeeilt. Neun der größten 
Energieversorgungsunternehmen in den USA fordern inzwischen von ihrer
Regierung eine Senkung der CO2-Emissionen. Mehr als zwei Dutzend 
US-Bundesstaaten wollen ein Emissionshandelssystem einführen, so wie 
es in Europa seit 2005 praktiziert wird. Fast 300 Städte in den USA 
haben sich gegen Bush gestellt und sich im Alleingang zu den 
verbindlichen Zielen des Kyoto-Protokolls bekannt. Immer mehr 
US-Unternehmen - darunter Boeing IBM oder General Electric - beklagen
sich, dass ein Nein zu Kyoto die US-Wirtschaft nicht wirklich stärkt.
Mit Blick auf Wachstumsmärkte wie etwa Umwelt- oder 
Energietechnologien beschleicht sie die Angst, von Europa abgehängt 
zu werden.
Es sind kleine Revolutionen wie diese, auf die Europa als 
Schrittmacher im Klimaschutz wartet. Längst laufen die Gespräche, wie
die USA auf Umwegen ins Boot geholt werden können, ohne dass der 
weltgrößte Klimasünder dabei sein Gesicht verliert. So tot ist Kyoto 
vielleicht doch nicht.

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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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