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WAZ: SPD und Unternehmenssteuer: Logik gegen Leidenschaft - Leitartikel von Angela Gareis

Essen (ots)

Für Peer Steinbrück ist die marktwirtschaftliche
Logik bezwingend: Wenn die Unternehmenssteuern gesenkt werden, kommt 
es in den ersten Jahren zu Steuerausfällen. Danach versteuern die 
Firmen ihre Gewinne nicht mehr im Ausland, sondern in Deutschland, 
und der Staat nimmt mehr ein. In der SPD aber trifft 
marktwirtschaftliche Logik hart auf sozialdemokratische Leidenschaft,
die so funktioniert: Den Bürgern wird über erhöhte Mehrwertsteuer, 
gekürzte Pendlerpauschale oder Rente mit 67 etwas weggenommen, für 
Krippenplätze fehlt Geld, und den reichen Unternehmen wird es 
nachgeworfen.
Vielleicht hat Gerhard Schröder seinem Reformplan bloß deshalb 
den Namen Agenda 2010 verpasst, weil er den Blick seiner Partei über 
den Tag hinaus lenken wollte. Gelungen ist ihm das nicht, denn die 
Umfragen werden nicht erst 2010 veranstaltet, sondern in der 
Gegenwart. Bedeutsamer noch ist der Umstand, dass Realpolitik - das 
haben auch die Grünen erlebt - höchstwahrscheinlich nur im 
unmittelbaren Regierungsgeschäft gelernt werden kann.
Fast alle Sozialdemokraten im Kabinett der Großen Koalition darf
man als kompetente Realpolitiker einschätzen. Aber sie bilden nur 
eine kleine Gruppe, die über das Geheimwissen "Regierungspolitik" 
verfügt. Weite Teile der Basis und der Fraktion sehnen sich nach der 
einfachen, identitätsstiftenden Oppositionspolitik der Vergangenheit 
vor Rot-Grün zurück.
Seit Schröders Agenda hat die SPD ein massives Problem mit der 
Kommunikation. Fraktionschef Peter Struck kann seinen Abgeordneten 
noch hundertmal einbläuen, dass sie doch die Führungskräfte der 
Partei seien, die der Basis die Regierungspolitik erklären müssten. 
Aber zunehmend viele lassen sich von der Basis verhauen, 
entschuldigen sich und schleichen zurück ins Parlament, wo ihnen die 
nächste Kröte aufgetischt wird, die sie herunterwürgen sollen. Der 
Graben, der die Parteispitze von der Basis trennt, verläuft quer 
durch die Fraktion.
Es wirkt ein wenig paradox, aber bei allen Anstrengungen über den
Tag hinaus sind die führenden Sozialdemokraten derart im 
Tagesgeschäft verhaftet, dass sie offenbar vergessen haben, wie 
emotional ihre SPD eigentlich ist. Wie idealistisch und 
illusionsverliebt, wie unpragmatisch und diskussionsfreudig diese 
Partei immerfort nach Sinn sucht. Gesellschaft, Familie und Umwelt 
sind wichtige Sinnthemen. Der Sinn aber, den die SPD anbietet, heißt 
immer noch Agenda 2010. (Basta.)

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Thomas Kloß
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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