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WAZ: Mehr Rechte für Verbraucher? Minister Mutlos - Leitartikel von Ulf Meinke
Essen (ots)
Ja, es gibt sie, die Macht der Verbraucher. Selbst Megakonzerne werden schwach, wenn Millionen Konsumenten - aus welchem Grund auch immer - in den Käuferstreik treten. Aber es gibt auch die Ohnmacht der Verbraucher, die sich, durchaus zu Recht, vor unsichtbaren Risiken fürchten. Schließlich haben sie kein Labor in der Küche, in dem sie Pestizide in Obst oder Gemüse aufspüren können. Selbst ekliges Gammelfleisch kann in der Fertigsuppe untergehen. Und so ist der Ruf nach einem starken Staat, der oft unbedacht angestimmt wird, in diesem Fall nicht nur nachvollziehbar, sondern überaus berechtigt. Die Verbraucher haben die Lebensmittelskandale der jüngsten Vergangenheit satt und verlangen zu Recht wirksamen Schutz vor üblen Machenschaften.
Strenge Gerichtsurteile wie jenes des Essener Landgerichts gegen einen Fleischhändler aus Gelsenkirchen, der tonnenweise vergammeltes Fleisch in Umlauf gebracht hat, sind zur Abschreckung ebenso geeignet wie klare Signale der Politik. Notwendig ist eine sichtbare Null-Toleranz-Strategie gegen Betrug am Verbraucher. Auch den ehrlichen Unternehmern der Lebensmittelindustrie sollte es ein Anliegen sein, die wenigen Gauner, die den Ruf ganzer Branchen gefährden, an den Pranger zu stellen - und zwar schnell und konsequent. Es darf nicht Monate oder gar Jahre dauern, bis Verbraucher klare Auskünfte erhalten. Gefordert ist eine Kultur der Offenheit, in der ein dann tatsächlich mündiger Verbraucher seine Entscheidungen treffen kann. Transparenz fängt bei der Angabe an, ob die Nudeln im Supermarkt mit Eiern aus Käfighaltung produziert worden sind - und hört beim Bloßstellen von betrügerischen Fleischhändlern auf. Ein offener Umgang mit Verbraucher-Informationen muss die Regel, nicht die Ausnahme sein.
Jenseits eines reflexhaften Aufschreis der Opposition lässt die massive Kritik von Verbraucherschützern am neuen Verbraucherinformationsgesetz aufhorchen. Jedenfalls ist zu befürchten, dass - angesichts zahlreicher Lücken im Gesetzestext, die Betrügern Raum lassen - das neue Regelwerk tatsächlich seinen Namen zu Unrecht trägt.
Der zuständige Minister Horst Seehofer lässt durchaus eine gewisse Halbherzigkeit beim Kampf für mehr Verbraucherrechte erkennen. Eigentlich sollte sein neues Gesetz die Antwort auf die zahlreichen Gammelfleisch-Skandale sein. Gemessen daran sollte Seehofer noch deutlich nachlegen - ohne Scheu vor der Agrarlobby. Ansonsten läuft er Gefahr, als Minister Mutlos zu gelten.
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