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WAZ: Chirac geht, Sarkozy kommt - Neuer Stil im Elysee - Leitartikel von Joachim Rogge
Essen (ots)
Der König ist tot, es lebe der König. Mit allem Pomp, den die Republik zu bieten hat, wird Frankreich Jacques Chirac heute in den Ruhestand verabschieden - und seinem Nachfolger Nicolas Sarkozy den Thron bereiten. Der Wechsel im Elysée-Palast markiert nicht nur generationsmäßig eine Zäsur, sondern bietet auch politisch die Chance auf einen wirklichen Neubeginn nach einem Vierteljahrhundert am Ende stets amtsmatter Präsidenten.
An Chirac hatte sich das Land gewöhnt. Weder innig geliebt noch abgrundtief verhasst, war er Teil der Familie, mehr sympathischer Kumpel als fordernder Chef. Seine Mitbürger behelligte er nicht mit übertriebenem Reformdrang. Und wenn er sich tatsächlich aufmachte, Wege vorzugeben, hagelte es Niederlagen und Blamagen.
Stoisch hat er alles ausgesessen, die Krisen und Erschütterungen im Inneren, die große Krise in Europa, an der er seinen gewichtigen Anteil hat. Dem Land ist soviel Phlegma, soviel Passivität und Orientierungslosigkeit nicht gut bekommen. Seinem Nachfolger hinterlässt er einen Mont Blanc an unerledigten Aufgaben.
Zeit beim Bergsteigen scheint Frankreichs neuer starker Mann nicht verlieren zu wollen. Noch nicht einmal im Amt, überraschte Nicolas Sarkozy bereits all jene, die ihn im Wahlkampf verteufelt hatten. Dass er sogar plant, seine Regierung ohne Not auf breitere Füße zu stellen, "feindliche Brüder" von der Linken umwirbt und damit grimmiges Zähneknirschen im eigenen konservativen Lager provoziert, ist ein starkes Signal, Brücken über Gräben hinweg bauen zu wollen.
Im TGV-Eiltempo will Sarkozy das müde gewordene Land auf Vordermann bringen. Den mitgliederschwachen, aber mobilisierungsstarken Gewerkschaften hat er - auch dies ein Novum - schon in den Tagen vor der offiziellen Amtsübernahme seine Vorstellungen erläutert, in welche Richtung der Reformzug künftig fahren soll. Die Reaktionen danach waren nicht durchweg so feindselig, wie vielleicht zu erwarten war.
Ein neuer Stil wird da erkennbar, der keineswegs sofort, wie unterstellt, auf Konfrontation und Härte setzt, sondern zunächst den Dialog sucht. Dass Sarkozy auch die Kraftprobe wagen wird, wenn es nötig sein sollte, liegt freilich ebenso auf der Hand. An Resultaten will er sich messen lassen. Dafür haben ihn die Franzosen gewählt. Entsprechend hoch ist der Druck auf Sarkozy - das Land in Bewegung zu bringen, klare Richtungen vorzugeben, ist nicht der schlechteste Ansatz für die kommenden fünf Jahre.
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