Neue OZ: Kommentar zu Tunesien
Konflikte
Osnabrück (ots)
Ohne westliche Muster
Vor überspannten Erwartungen sei gewarnt. Zwar hat die tunesische Revolution das Zeug dazu, eine Umwälzung zu bewirken. Aber es wäre eine faustdicke Überraschung, sollte diese in eine Demokratie nach westlichem Muster münden. Dagegen spricht die innere Verfassung des Landes. Wie in den meisten anderen arabischen Staaten liegt die Macht bei Elite-Netzwerken. Die Wahrscheinlichkeit ist daher wesentlich größer, dass nun auch in Tunesien die Macht von einem Netzwerk auf ein anderes übergeht, als dass sich eine parlamentarische Demokratie entwickelt, getragen von Rechtsstaat und tief gestaffelter Zivilgesellschaft.
Gegen einen Siegeszug des westlichen Modells spricht auch dessen schwache Vorbildfunktion unter Arabern. Die Amerikaner haben Demokratie im Irak mit Feuer und Schwert verbreitet. Gleichzeitig stützen sie Saudi-Arabiens ultraautoritäre Monarchie. Auch die Europäer benutzen ihr Demokratie-Modell gern als politischen Hebel - auch sie wenig glaubwürdig. Jeder Nachfolger des gestürzten Präsidenten kann sich heute schon darauf verlassen: Er darf ziemlich autoritär regieren, solange er in der EU überzeugend den Eindruck hinterlässt, für stabile Verhältnisse und ein Niederhalten der Islamisten zu sorgen. Die Messlatte zur Bewertung dieser Revolution muss also eine andere sein: Wie viel Freiheit und Rechtssicherheit - nach tunesischen Vorstellungen - verschafft sie den Tunesiern?
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