Neue OZ: Kommentar zu Türkei
Osnabrück (ots)
Türken im Zwiespalt
Im jahrelangen Machtkampf mit Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan haben die türkischen Militärs jetzt das Handtuch geworfen. Ein Grund zur Trauer ist das nicht. Denn der politische Machtanspruch der Generäle stand der Demokratisierung des Landes immer entgegen. Mehrfach haben die Militärs in den vergangenen fünf Jahrzehnten gewählte Regierungen gestürzt. Auch Oppositionelle hatten unter ihnen zu leiden.
Wenn jetzt trotzdem so manchem der Jubel im Halse stecken bleibt, so liegt das ausgerechnet an dem Mann, der die ungeliebten Generäle zu Fall gebracht hat. Denn ihre Kapitulation bedeutet gleichzeitig einen erneuten Machtzuwachs für Erdogan. Und der ist auch nach gut acht Jahren als Ministerpräsident nicht nur vielen Türken noch ein Rätsel: Für die einen ist er ein tatkräftiger Macher und für die anderen ein islamistischer Wolf im demokratischen Schafspelz. Die meisten aber glauben, dass er von beidem etwas hat. Und so stehen nicht wenige Türken ihrem Ministerpräsidenten zwiespältig gegenüber: Auf den Pragmatiker, der die Türkei zu neuen Höhen geführt hat, möchten sie nicht verzichten. Den islamisch-konservativen Politiker aber wollen sie nicht zu mächtig sehen.
Sollte, wie geplant, im Rahmen der Verfassungsreform das Amt des Präsidenten massiv aufgewertet werden, könnte Erdogan selbst einmal an der Spitze des Staates stehen. Dann wäre er mächtiger denn je. Wer will ihn jetzt noch aufhalten?
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