Neue OZ: Kommentar zu Literatur
Auszeichnungen
Osnabrück (ots)
Tradition der Publikumsbeschimpfung
Leider könne das Theater nicht die Welt verändern, weil es der Gegenwart immer hinterherhinke, hat Claus Peymann vor knapp drei Jahren sinngemäß und mit tiefem Bedauern im Interview mit unserer Zeitung gesagt. Die Aussage zeigt: Der Theatermacher ist seiner Haltung bislang treu geblieben, auch wenn er sich manches Scheitern beim Verändern der Welt eingestehen musste. Der Lessing-Preis an eine Verkörperung deutscher Polit-Theater-Geschichte überrascht also kaum. Aufklären möglichst nah an der Gegenwart war Peymanns Thema und Stärke, das belegen skandalträchtige Uraufführungen seiner Bochumer, Stuttgarter oder Wiener Zeit von Handke- oder Bernhard-Stücken oder sein Engagement für Mitglieder der Rote-Armee-Fraktion.
In die Tradition der Publikumsbeschimpfung stellt er sich noch immer gern und lautstark. Doch ausgerechnet als Intendant der Brecht-Bühne "Berliner Ensemble" wurde er "klassischer": Nennenswerte formale Innovationen gehen vom BE schon lange nicht mehr aus. Solche Impulse werden andernorts entwickelt. Der Lessing-Preis lässt sich wohl besser als Auszeichnung für ein Lebenswerk verstehen: Peymanns Aufklärung ist zwar in die Jahre gekommen, aber deshalb nicht falsch.
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