Neue OZ: Kommentar zu Kultur
Bildung
Lesen
Osnabrück (ots)
Leerer Kraftakt
Vorleser wenden sich zu, Kinder lauschen. Vorlesen gibt es nicht ohne Nähe. Beim Vorlesen wird nicht nur ein Text vermittelt, sondern auch persönliche Bindung gefestigt und Sinn gestiftet. Aber vielleicht ist das zu idyllisch gedacht. Kinderbuchautor Stefan Gemmel macht heute aus dem bloßen Vorlesen eine sportive Sache. Tausende Kinder, ein Stadionrund, der Beauftragte der Guinness-Rekorde, fertig ist das Szenario für einen neuen Superlativ. Doch die Rekordmarke markiert nur eine Zahl. Über die eigentliche Qualität des Vorlesens sagt sie nichts aus.
Zum Vorlesen gehören Stille und Muße, nicht Rummel und Tamtam. Genau das wird nun jedoch veranstaltet. Der Koblenzer Kraftakt folgt einer Logik, die nur das akzeptiert, was als Event inszeniert und konsumiert werden kann. Doch was nützt der Hype um einen Rekord, wenn es zu wenige Eltern gibt, die tagtäglich daheim vorlesen? Es geht schließlich immer um das einzelne Kind. Das mag vielleicht nicht das größte Publikum der Welt sein. Ganz sicher aber ist es das wichtigste.
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