Neue OZ: Kommentar zu Soziales
Senioren
Menschenrechte
Osnabrück (ots)
Krankes System
Folter und Pflegeheim, diese Wortkombination klingt alarmierend. Die Nachricht, dass die Nationale Antifolterstelle demnächst womöglich deutsche Altenheime kontrollieren wird, mag daher im ersten Moment Unverständnis, ja Ablehnung hervorrufen. Kein Wunder, dass sich Einrichtungen unter Generalverdacht gestellt fühlen.
Doch die Fakten sprechen für mehr Kontrollen: Angaben der Pflegekassen zufolge wird jeder fünfte Heimbewohner im Laufe seines Aufenthalts Opfer von Gewalt. Es schockiert, dass Menschen missbräuchlich mit Psychopharmaka ruhiggestellt, mit Schlägen gefügig gemacht oder ohne Genehmigung an Betten oder Rollstühle gefesselt werden. Natürlich passiert das nicht immer und überall. Dennoch: In solchen Fällen wird die Würde der Pflegebedürftigen missachtet.
Ohne Zweifel sind mehr Kontrollen lediglich ein Mittel, die Symptome eines kranken Systems zu bekämpfen. Die Wurzel des Übels bleibt: zu wenig Personal für zu viele Bewohner. Chronisch überforderte Pfleger sind die Folge. Die Hemmschwelle, zu unlauteren Methoden zu greifen, um das Arbeitspensum zu bewältigen, kann dadurch sinken. Um hier Abhilfe zu schaffen, muss dringend mehr Geld zur Verfügung stehen, damit sich die Bedingungen in Heimen verbessern, auch wenn die Beiträge steigen. Mehr Kontrollen sind daher sinnvoll, kratzen aber nur an der Oberfläche.
Franziska Holthaus
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