Neue OZ: Kommentar zu Kennedy
Osnabrück (ots)
Sehnsucht nach Lichtgestalten
Den amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy für einen der meistüberschätzten Menschen der Geschichte zu halten ist nicht aus der Luft gegriffen. Der Mythos rund um seine Person liegt gerade darin begründet, dass er starb, bevor er die vielen in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen oder eben enttäuschen konnte. Die Aura des dynamischen, idealtypischen Präsidenten, die ihn bis heute umgibt, ist mit jedem Jahr nach seinem Tod verklärter geworden. Kennedy war kränklich und ein Frauenheld. Der gute Ausgang der Kubakrise war weniger seinem Verhandlungsgeschick als vielmehr glücklichen Zufällen zu verdanken, und mit seinem Wissen wurde die Berliner Mauer gebaut, doch keine dieser späteren Erkenntnisse kann an der überhöhten kollektiven Erinnerung an ihn kratzen. Die Dramatik seines frühen Todes trägt dazu bei: wie er in den Schoß seiner schönen Frau sank, niedergestreckt durch die Schüsse eines feigen Attentäters.
Dass Kennedy 50 Jahre nach seinem Tod noch immer verehrt wird, spiegelt die Sehnsucht nach Lichtgestalten wider. Nach Persönlichkeiten, die Charisma ausstrahlen und die Gewissheit vermitteln, dass alles möglich ist. Auch Barack Obama war so ein Hoffnungsträger. Wie ein Heilsbringer wurde er anfangs gefeiert; ein zweiter Kennedy, hieß es. Inzwischen ist sein Glanz abgeblättert, dem politischen Tagesgeschäft hält er nicht stand. Dieser Prüfung konnte Kennedy sich nie stellen.
Franziska Kückmann
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