NOZ: Abbau des Rechtsstaats in der EU: Richterbund fordert europäische Stresstests, Checklisten und harte Strafen
Osnabrück (ots)
Abbau des Rechtsstaats in der EU: Richterbund fordert europäische Stresstests, Checklisten und harte Strafen
Verbandsvorsitzender Jens Gnisa: Die EU kann es sich nicht leisten, nach der Banken- und Finanzkrise nun in eine Rechtsstaatskrise hinein zu laufen
Osnabrück. Im Kampf gegen den Abbau des Rechtsstaates sollte die EU-Kommission nach Ansicht des Deutschen Richterbundes mehr Handhabe gegen Länder wie Ungarn und Polen erhalten. Notwendig seien vorbeugende Stresstests, Checklisten und niedrigere Hürden für harte Strafen. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch) sagte der Vorsitzende des Richterbundes, Jens Gnisa: "Schwammige Worte im EU-Vertrag reichen nicht." Er fügte hinzu: " Wir brauchen klare Mechanismen wie eine Checkliste und Strafen mit Entzug von Geld, um diese Regeln durchsetzen zu können. Die EU-Kommission muss eine konkretere Handhabe bekommen."
Ungarn, Polen und Rumänien legen seit Jahren mit Gesetzesänderungen die Justiz lahm und bringen Richter unter ihre Kontrolle. Die EU-Kommission hat derzeit recht wenig Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Der Richterbund fordert daher eine Checkliste, die Artikel 2 des EU-Vertrages ergänzen sollte, der die Rechtsstaatlichkeit als eines der Grundprinzipien der EU festlegt. Kriterien sollten etwa sein, ob sich die Justiz selbst verwaltet, ob sie über die Einstellung von Richtern unabhängig entscheiden kann, ob der Bürger Zugang zum Justizsystem hat und ob die Richter wirklich personell und sachlich unabhängig sind. "Verstößt ein Staat gegen die Liste, sollte dies Sanktionen auslösen", sagte Gnisa. Die EU sollte bis zum Widerruf aller rechtswidrigen Gesetze solchen Staaten den Geldhahn aus Brüssel zudrehen. Der Richterbund schlägt zudem vor, dass die EU-Kommission vorbeugend Länder regelmäßig zum Thema Rechtsstaatlichkeit überprüft. Der Verbandsvorsitzende sagte: "Wir brauchen einen Stresstest - genauso wie bei den Banken und im Finanzsektor." Ein solcher Check wäre ein Frühwarnsystem und könnte verhindern, dass eine Regierung wie etwa in Polen einfach die Justiz umbaue. "Fällt ein Staat durch, muss er zu Reformen verpflichtet werden", sagte Gnisa und warnte: "Die EU kann es sich nicht leisten, nach der Banken- und Finanzkrise nun in eine Rechtsstaatskrise hinein zu laufen."
An diesem Donnerstag und Freitag (24.-25. Mai) kommen 44 Verbände der Europäischen Richtervereinigung in Berlin zu einem Justizgipfel zusammen. Dabei werden die Teilnehmer auch über solche Checklisten und Stresstests gegen den Abbau des Rechtsstaates in Europa beraten.
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Richterbund: Fall Puigdemont beweist das gute Funktionieren des Europäischen Haftbefehls
Vorsitzender Jens Gnisa: Die Richter haben unabhängig entschieden
Osnabrück. Das juristische Tauziehen um den katalanischen Separatistenführer Carles Puigdemont ist nach Ansicht des Deutschen Richterbundes ein positiver Beleg dafür, dass die Politik keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Justiz nehmen kann. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch) sagte der Vorsitzende des Richterbundes, Jens Gnisa: "Der Fall zeigt doch, dass das System gut funktioniert." Nicht jeder europäische Haftbefehl werde auch umgesetzt, sondern die Richter prüften ihn vorher. "Und wenn er gegen rechtsstaatliche Standards verstößt, wird er nicht ausgeführt", betonte Gnisa. Der Eindruck sei falsch, dass der Haftbefehl von EU-Regierungen politisch genutzt werde, um etwa unliebsame Oppositionelle oder Separatisten zu verfolgen. Der Jurist und Verbandschef sagte: "Zwar hat die politische Debatte die juristische Prüfung überlagert, aber die Richter haben unabhängig entschieden und Puigdemont wurde nicht einfach so ausgeliefert."
Dass die Amtshilfe in der EU manchmal nicht funktioniere, weil die Gerichte Informationen nicht weitergäben, sei ein Problem der Umsetzung und der Zusammenarbeit. "Das kennt man ja auch von anderen Fällen innerhalb der EU. Ich habe aber den Eindruck, dass das von Jahr zu Jahr besser wird", sagte Gnisa.
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