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NOZ: DIW-Chef Fratzscher kritisiert "perverse Anreize" im Klimapaket

Osnabrück (ots)

DIW-Chef Fratzscher kritisiert "perverse Anreize" im Klimapaket

"Pendler haben am Ende sogar mehr Geld in der Tasche" - Lob für "Fridays-for-Future"-Bewegung

Osnabrück. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, fordert dringend Nachbesserungen am Klimaschutzprogramm der Bundesregierung. Fratzscher sagte im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung", es gebe "perverse Anreize" im Klimapaket. "So werden vor allem besserverdienende Pendler durch steuerliche Effekte und die Erhöhung der Pendlerpauschale am Ende sogar mehr Geld in der Tasche haben." Der Ökonom betonte, es sei gut, dass die Bundesregierung jetzt ein Klimapaket gepackt habe, das viele gute Ansätze zeige. "Sie hätte dabei allerdings mutiger sein sollen." So kritisierte Fratzscher den geplanten Einstiegspreis von 10 Euro pro Tonne für das klimaschädliche CO2 als zu niedrig: "Wenn man das einmal auf Benzin hochrechnet, dann sprechen wir gerade einmal von drei oder vier Cent pro Liter."

Hintergrund: Die Bundesregierung plant, CO2-Zertifikate an die Unternehmen zu verkaufen, die Heiz- und Kraftstoffe in den Verkehr bringen. Der Festpreis soll bis zum Jahr 2025 auf 35 Euro pro Tonne steigen. Nach den Worten von Fratzscher kostet es aber 100 Euro bis 150 Euro, um eine Tonne CO2 "wieder einzufangen". Der Schaden für Umwelt, Natur und Mensch möge geringer sein. "Aber zehn Euro pro Tonne sind es mit Sicherheit nicht." Mithilfe der Pendlerpauschale sollen Arbeitnehmer vom Januar 2021 an ab dem 21. Kilometer ihres Pendelwegs eine höhere Pauschale von 35 Cent anstatt bislang 30 Cent pro Kilometer in der Steuererklärung geltend machen können. Die Entlastung schwankt je nach Einkommen und Besteuerung, bis der Vorteil durch die steigende CO2-Bepreisung entfällt.

Der DIW-Chef fordert noch weitergehende Schritte zum Klimaschutz. "Eine klare Ansage wäre zum Beispiel: Ab dem Jahr 2030 werden keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen, so wie es andere europäische Länder machen. Das wäre ein Rahmen, auf den sich Bürger und Unternehmen einstellen könnten. Da sollte die Bundesregierung ihr Klimaprogramm nachbessern." Fratzscher kritisierte zugleich, die Politik sei - wie so oft - reaktiv. Vieles geschehe nur durch den Druck der Öffentlichkeit oder den Druck der Straße. "Die Fridays-for-Future-Bewegung, die junge Generation, ist die einzige Hoffnung, die wir haben. In die Köpfe der meisten älteren Menschen geht das nicht mehr rein, dass wir einen grundlegenden Kurswechsel brauchen."

Eine ökonomische Überforderung sieht Fratzscher in den neuen Klimaschutzplänen nicht. Er erläuterte, sicherlich brauche es Anpassungen. "Aber die Frage ist doch: Macht man das jetzt freiwillig, oder wird es uns aufgezwungen, weil die Umwelt der Belastung nicht standhält oder andere Länder uns neue Technologien vorgeben." Darüber hinaus seien die Veränderungen, die zum Klimaschutz nötig seien, auch eine riesige Wachstumschance gerade für technologisch hoch entwickelte Länder wie Deutschland. "Wir sind, etwa bei den erneuerbaren Energien, ganz vorn mit dabei. Viele technologische Entwicklungen finden hierzulande statt. Darauf können wir aufbauen."

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DIW-Chef Fratzscher: Deutsche Wiedervereinigung ökonomisch ein Riesenerfolg

"Regionale Unterschied in Italien, Spanien, Großbritannien und Frankreich seit Jahrzehnten viel größer"

Osnabrück. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer und 29 Jahre nach der Wiedervereinigung zieht Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), eine positive ökonomische Bilanz. Fratzscher sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Die Wiedervereinigung ist wirtschaftlich ein Riesenerfolg."

Der DIW-Chef betonte: "Im Vergleich zum Westen beträgt die Produktivität in den ostdeutschen Bundesländern heute 75 Prozent, die durchschnittlichen Einkommen liegen bei 85 Prozent. In Italien, Spanien, Großbritannien oder Frankreich sind die regionalen Unterschiede viel größer - und das bereits seit sehr vielen Jahrzehnten." Auch wenn der Aufholprozess im Osten Deutschlands in den vergangenen Jahren etwas ins Stocken gekommen sei, so seien die Erfolge insgesamt doch beachtlich. "Wenn viele Ostdeutsche dennoch das Gefühl haben, Bürger zweiter Klasse zu sein, dann liegt das meiner Meinung nach daran, dass sie Respekt und Anerkennung vermissen. Und es geht darum, dass sie sich mehr Eigenverantwortung wünschen."

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