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Westfalenpost: Kommentar zu Schweigeminute/Gedenken/Trauerfeier/Rechtsextremismus/Terrorismus/Eine würdige Gedenkfeier ist nicht genug /Im Alltag bleibt es bei der Diskriminierung /Von Harald Ries

Hagen (ots)

Angela Merkel hat gestern auf einer würdigen Gedenkfeier eine gute Rede gehalten. Die gemeinsame Veranstaltung von Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht war so angemessen wie die Trauerbeflaggung und die Schweigeminuten im ganzen Land. Aber das reicht alles noch nicht. Weil auch donnerstags gehaltene Sonntagsreden, selbst gut gemeinte und wahr empfundene, keine Gewähr dafür bieten, dass sich etwas ändert. Die Auftritte der Hinterbliebenen haben noch einmal die ganze Ungeheuerlichkeit der Neonazi-Mordserie verdeutlicht: Die Sicherheitsbehörden erweisen sich als gleichermaßen unfähig und unwillig, die trauernden Angehörigen müssen mit jahrelangen Verdächtigungen und Unterstellungen leben. Wie alleingelassen muss man sich da fühlen, wie hilflos und abgelehnt. Ja, es ist eine Schande für Deutschland, wie die Kanzlerin schon vor gut drei Monaten sagte. Und die Bitte um Verzeihung von gestern ist das Mindeste. Der Schock war groß, als der Hintergrund des Terrors bekannt wurde. Aber dann wurde mit Leidenschaft über Lappalien wie ein Bobbycar für Familie Wulff diskutiert, während Innenpolitiker sich ohne größeres öffentliches Interesse über Verbunddatei und Antiterrorzentrum verständigten. Vermutlich sind beide Maßnahmen hilfreich. Aber mindestens so nötig ist der Kampf gegen Rassismus im Alltag, gegen das offensive Auftreten von Rechtsextremisten und die ständige Diskriminierung, der Menschen ausgesetzt sind, die nicht "deutsch" genug aussehen. Doch die politische Unterstützung für Initiativen gegen Intoleranz fällt bescheiden aus. Da wird Rechts gegen Links aufgerechnet und ein verwirrter Autobrandstifter schon einmal zum Terroristen aufgebauscht. Und mit den Sarrazin-Anhängern in den eigenen Reihen will man es sich wohl nicht ganz verderben. Islamophobie ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, und mit der Euro-Krise hat sich die Bereitschaft erhöht, auf alte nationalistische Vorurteile wie "die faulen Südeuropäer" zurückzugreifen. Die Gesellschaft müsse ein feines Gespür dafür entwickeln, wann Ausgrenzung und Abwertung beginnen, hat die Kanzlerin gestern gesagt. Das gilt erst recht für die Politik.

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Westfalenpost Hagen
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