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Westfalenpost: Der arabische Herbst, der keinen Sommer sah
Kommentar zur Lage in Ägypten von Stefan Hans Kläsener

Hagen (ots)

Die Frage können wir getrost künftigen juristischen Doktorarbeiten überlassen: Ob es sich beim Eingreifen des ägyptischen Militärs um einen Coup d'État, einen Staatsstreich (oder, etwas vulgärer, um einen Putsch) handelte. Viel brisanter ist die politische Feststellung, dass der arabische Frühling, der erst in Ägypten seine Durchschlagskraft erhielt, unmittelbar in einen Herbst übergeht, ohne einen Sommer gesehen zu haben. Ägypten ist nicht irgendein arabisches Land. Es ist das bevölkerungsreichste islamische Land Afrikas, es ist als mehrheitlich sunnitisches Land ein natürlicher Gegenspieler der reichen Golfstaaten und vor allem des Iran. Von Ägypten ging unter Gamal Abdel Nasser die Blüte des Panarabismus aus, der in den Baath-Parteien vieler arabischer Länder einen säkularen Nationalismus predigte, Auslöser vieler Kriege und jahrzehntelang Haupthindernis für einen Friedensschluss mit Israel. Dann wiederum ergrifft Ägypten unter Anwar as-Sadat die Initiative und sorgte für ein erstaunliches Tauwetter in den Beziehungen zum jüdischen Staat. Nun scheint es, dass die Versöhnung von Demokratie und moderatem Islamismus wiederum in Ägypten gescheitert ist. Insofern liegt im Scheitern des zuweilen tölpelhaften Mohammed Mursi eine historische Zäsur. Hilflos wirken da die Appelle des Westens, schnellstmöglich zu einer verfassungsgemäßen Ordnung im Nilstaat zurückzukehren. Entscheidend ist doch die Frage, ob es überhaupt in einem islamisch geprägten Land gelingt, Demokratie, religiöse Identität und Toleranzgebot in einem Rechtsstaat zu versöhnen. Gelingt dies nicht, stehen wir vor einem Kulturkampf, der nicht zum ersten Mal bis vor die Tore Wiens, also Europas, reicht.

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