Westfalenpost: Die Grenzen der Besonnenheit
Hagen (ots)
Besonnenheit ist angesichts des Konflikts der Niederlande mit der Türkei das allseits beschworene Gebot der Stunde. Mit gutem Grund: Erstens ist Besonnenheit eine politische Kardinaltugend. Zweitens haben wir es hier mit Wahlkämpfern zu tun. Der türkische Präsident Erdogan will sich mit allen Mitteln die Lizenz zur Errichtung einer Präsidialdiktatur holen. Der niederländische Premier Rutte kämpft, den Populisten Wilders im Kreuz, um den Erhalt der Macht in Den Haag. Und drittens ist es ja richtig: Die Rüpeleien Erdogans und seiner Gefolgsleute sind nicht Entgleisungen von Leuten, die ihre Emotionen nicht im Griff haben, sondern kalkulierte Provokation. Hier sollen die Europäer zu Abwehrreaktionen getrieben werden, mit denen sich Stimmung schüren und für das Referendum werben lässt. Das Spielchen dürfe man keineswegs mitmachen, lautet das Argument, dem auch die Bundesregierung bislang folgt. Das Prinzip Besonnenheit droht indes hier zur Appeasement-Logik zu werden. Erdogans Beleidigungen und Drohungen gegen Partner und Verbündete erledigt man nicht mit distanzierenden Worten. Der Anspruch, den Unsinn in den geschmähten Ländern selbst zu verbreiten, erfüllt den Tatbestand der Aufwiegelei. Erdogan verletzt die Standards gezielt. Die der Deutschen und Niederländer, die der EU, selbst die der angeblichen Wertegemeinschaft Nato. Darauf kann man nicht reagieren, indem man die Standards verschiebt. Man muss sie, wo man die Mittel dazu hat, behaupten - vielleicht stilistisch etwas besonnener als die Niederländer, aber nicht weniger entschlossen.
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