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NRZ: Durchsichtige Strategie - Kommentar von Jan Jessen
Essen (ots)
Die Verbraucher sind geizig und deshalb schuld an der Massentierhaltung; mithin auch schuld an den Gefahren für die menschliche Gesundheit, die der industriellen Fleischproduktion innewohnen. Mit dieser Argumentation versucht sich der Bauernverband aus der Verantwortung für die teils skandalösen Haltungsbedingungen von Tieren zu stehlen. Das ist ebenso durchsichtig wie billig. Richtig ist: Der Verbraucher ist Akteur auf dem Lebensmittelmarkt. Er entscheidet, ob er Billigst-Fleisch oder das teurere aus der Bio-Produktion kauft. Und natürlich lohnt es sich darüber nachzudenken, ob wirklich jeden Tag Fleisch auf dem Teller liegen muss. Aber erstens haben Dank der Umverteilung von unten nach oben in den vergangenen Jahren viele Menschen einfach nicht genügend Geld, um sich hochwertige Lebensmittel zu leisten. Zweitens müssen sich Verbraucher darauf verlassen können, dass das, was im Kühlregal liegt, nicht gesundheitsgefährdend ist, auch wenn es billig ist. Vor allem aber sind die Verbraucher nur EIN Akteur. Hauptgrund für den immer größer werdenden Druck auf die Produzenten von Lebensmitteln ist der mörderische Wettbewerb im Einzelhandel. Ein Druck, dem der Bauernverband willfährig nachgibt. Wir erinnern uns: Als die Milchpreise im Keller waren, musste der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter den Job des weit mächtigeren Bauernverbandes erledigen und auf die Barrikaden gehen. Auch der Handel mit Lebensmitteln ist ein globalisierter; deswegen ist es Unsinn, einem landwirtschaftlichen Heidi-Idyll nachzutrauern, das niemals existiert hat. Für Deutschlands aus EU-Töpfen satt gefütterte Agrarlobbyisten lautet die Devise aber immer noch ganz im marktradikalen Duktus: "Wachsen oder Weichen". Genau das ist die Denke, die Bauernhöfe zu Fleischproduktionsfabriken in irrwitziger Größe mutieren lässt. Schade, dass die christsoziale Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner zu diesen generellen Fehlentwicklungen jenseits von Absichtsbekundungen ("Wir wollen das Tierwohl stärken!") so wenig zu sagen hat. Immerhin ist sie auch Verbraucherschutzministerin.
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