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NRZ: Zeichen von Konfliktscheue - ein Kommentar von THOMAS RÜNKER
Essen (ots)
Gut, dass es Kirchentage gibt. Wenn sich Zehntausende Menschen treffen, um tagelang ihren Glauben zu feiern und darüber zu diskutieren, wie man aus diesem Glauben heraus eine bessere Gesellschaft gestalten kann, dürfen das auch Nicht- und Andersgläubige begrüßen. Schließlich propagieren die Christen eine Welt, in der es für alle gerechter zugehen soll - und das treibt in den Debatten um Steuerhinterziehung und Managergehälter, aber auch über den Umgang mit Behinderten (Stichort: Inklusion) ja nicht nur Protestanten um. Die Losung "Soviel du brauchst" passte da so treffend in die Zeit wie kaum ein Kirchentags-Motto zuvor. Und es ist gut, dass das Christentreffen damit den Blick nicht nur auf den treu sorgenden Gott gelenkt hat, sondern auch auf dessen Ablehnung des Überflusses. Denn wenn es etwa um die weltweite Ungleichverteilung des Reichtums oder den Unterschied beim klimaschädlichen CO2-Ausstoß geht, ist der Satz aus dem Alten Testament hochaktuell. Dennoch ist der Kirchentag zu kurz gesprungen und über altbekannte Aufforderungen an jeden Einzelnen, zum Beispiel kritischer und weniger zu konsumieren, kaum hinausgekommen. Dabei hätte er gerade jetzt wichtige Beiträge für die Gesellschaft leisten können - etwa durch eine kontroverse, fundierte Diskussion über den Wachstumsbegriff. Auch diese Debatte ist nicht neu, aber sie ist derzeit aktuell. Gerade hat sich der Bundestag damit befasst, und in Hamburg kündigte die Kanzlerin an, sich des Themas anzunehmen - doch wer auf dem Kirchentag eine Antwort auf die Frage suchte, wie viel denn eine Gesellschaft braucht (zum Beispiel um zufrieden oder gar glücklich zu sein), der wurde enttäuscht.
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