BGH erklärt Präimplantationsdiagnostik nur bei zu erwartender schwerwiegender Behinderung für zulässig - Lebenshilfe lehnt Gentest an Embryonen weiterhin ab
Berlin (ots)
Der Fall eines Berliner Frauenarztes war gestern Gegenstand eines Strafverfahrens beim Bundesgerichtshof (BGH). Der Gynäkologe hatte in den Jahren 2005 und 2006 bei drei Frauen Präimplantationsdiagnostik (PID) angewandt. Die PID ist eine Methode, künstlich befruchtete Eizellen auf genetische Defekte zu untersuchen - bevor diese in den Mutterleib eingesetzt werden. Der Arzt hatte sich selbst angezeigt, um zu klären, ob diese Methode zulässig ist.
Der 5. Senat des BGH hat nun entschieden, dass der Mediziner sich nach dem Embryonenschutzgesetz nicht strafbar gemacht hat. Der BGH wie auch schon der Generalbundesanwalt halten es jedoch für dringend geboten, dass mittels der PID nur nach schwerwiegenden Krankheiten und Behinderungen gesucht werden darf. Die Lebenshilfe steht der PID trotzdem nach wie vor kritisch gegenüber. "Dieses Urteil könnte ein Dammbruch sein", befürchtet der Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, Robert Antretter. Denn die PID ermögliche auch die Selektion ungeborenen Lebens nach erwünschten und nicht erwünschten Merkmalen, etwa nach Geschlecht, Augen- oder Haarfarbe.
Immerhin führt der BGH in seiner Urteilsbegründung aus: "Einer unbegrenzten Selektion von Embryonen anhand genetischer Merkmale ist damit nicht der Weg geöffnet."
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert aber eine Klarstellung, was unter dem Begriff der schwerwiegenden Behinderung zu verstehen ist, damit die PID nicht unangemessen ausgeweitet wird. "Problematisch ist diese Abgrenzung ohnehin, denn sie bedeutet letztlich die Entscheidung über lebenswert und lebensunwert", sagt Antretter.
Zudem seien die meisten angeborenen Behinderungen weder mit PID noch mit Pränataldiagnostik vor der Geburt festzustellen. "Und eines dürfen wir nicht vergessen: Der Eindruck, Behinderung sei vermeidbar, kann gesellschaftlich zu einem Verlust an Solidarität mit behinderten Menschen führen", so Robert Antretter.
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