Mit dem "digitalen Whistleblower" gegen Korruption im öffentlichen Auftragswesen
Hertie School beteiligt sich an EU-Forschungsprojekt DIGIWHIST und ruft gesellschaftliche Akteure zur Mitarbeit auf
Berlin (ots)
Überall in Europa stößt man auf öffentliche Investitionsprojekte, bei denen offensichtlich etwas falsch läuft: Sei es ein Flughafen, der dem Zeitplan viele Jahre hinterherhinkt und weit übers Budget hinausgeschossen ist, oder eine Autobahn, die im Nirgendwo endet. Ob Korruption im Spiel ist, war allerdings bislang schwer herauszufinden. Die Hertie School of Governance startet nun gemeinsam mit vier weiteren europäischen Partnern ein EU-Forschungsprojekt, das für mehr Transparenz im öffentlichen Auftragswesen sorgen und zivilgesellschaftlichen Akteuren den Zugang zu entsprechenden Informationen erleichtern will.
Das Projekt "The Digital Whistleblower. Fiscal Transparency, Risk Assessment and Impact of Good Governance Policies Assessed (DIGIWHIST)" ist am European Research Centre for Anti-Corruption and State-Building (ERCAS) an der Hertie School unter der Leitung von Alina Mungiu-Pippidi angesiedelt. EU-Forschungsmittel aus dem Horizont-2020-Programm in Höhe von drei Millionen Euro fließen in das Vorhaben mit dreijähriger Laufzeit. Es ist bereits das zweite große EU-Projekt, das die Professorin für Demokratie-Studien und Expertin für Korruptionsbekämpfung Mungiu-Pippidi an die Hertie School holt.
Ziel von DIGIWHIST ist es, das öffentliche Auftragswesen durch mehr Transparenz effizienter und weniger korruptionsanfällig zu machen. Zivilgesellschaftlichen Akteuren, Journalisten und Mitarbeitern auf staatlicher Seite will es einen Werkzeugkasten zur Verfügung stellen, mit dessen Hilfe sie gesetzliche Grundlagen, Akteure und Prozesse rund um einzelne öffentliche Aufträge in allen EU-Mitgliedsländern sowie einigen Nachbarstaaten nachvollziehen können.
Folgende interaktive Produkte werden im Rahmen des Projekts entstehen:
- Webportale und Smartphone-Apps zum öffentlichen Auftragswesen in den jeweiligen Ländern mit vier Hauptfunktionen: 1) Sie machen relevante Dokumente sämtlicher öffentlichen Projekte verfügbar, 2) ermöglichen die Analyse einzelner Projekte durch interaktive und einfach zu benutzende Tools, 3) bieten Nutzern die Möglichkeit, selbst Informationen beizutragen und 4) ermöglichen es, Auskünfte nach den Informationsfreiheitsgesetzen einzuholen und durch digitales Whistleblowing Korruptionsverdacht anonym zu melden. - Eine zentrale europäische Anlaufstelle, die über sämtliche rechtliche Rahmenbedingungen einzelner Vergabeverfahren informiert. - Ein Indikatorensystem für öffentliche Auftraggeber, mit dem sich die Korruptionsanfälligkeit von Projekten und Prozessen systematisch analysieren lässt.
Will sich ein Journalist beispielsweise näher über ein Flughafen-Projekt informieren, findet er auf der DIGIWHIST-Plattform nicht nur die beteiligten Akteure, sondern auch Informationen darüber, ob geltende Regeln eingehalten wurden und ob bei den involvierten Firmen nicht-regelgerechtes Verhalten bekannt ist. Der Journalist kann über das Portal Auskunftsersuchen an die zuständige Behörde stellen und bei Hinweisen auf Korruption den Verdacht als Whistleblower melden.
"Unsere Forschung zeigt, dass das Zusammenwirken von staatlicher Regelung und Aufsicht mit einer aktiven Zivilgesellschaft den größten Erfolg bei der Bekämpfung von Korruption bringt", erklärt Alina Mungiu-Pippidi. "Zum Beispiel können Informationsfreiheitsgesetze ihre Wirkung erst dann voll entfalten, wenn wir Bürger in die Lage versetzen, ihre entsprechenden Rechte auch wahrzunehmen und staatliche Stellen dazu zwingen, Rechenschaft abzulegen."
Weitere DIGIWHIST-Projektpartner sind die Universität Cambridge, die die Projektleitung übernimmt, das Corruption Research Center Budapest, das Datlab Prag, die Open Knowledge Foundation Deutschland sowie das Research Centre on Transnational Crime (Transcrime) in Mailand. DIGIWHIST wird dabei auf die vorherige gemeinsame Arbeit der Projektpartner aufbauen, besonders auf dem Projekt "EU FP7 ANTICORRP".
Die Mitarbeit von zivilgesellschaftlichen Akteuren, Medienvertretern und Beamten ist möglich und ausdrücklich erwünscht. Weitere Informationen: Kerry Schorr, ERCAS Communications Officer, schorr@hertie-school.org, +49 (0)30-25-92-19-337
Weitere Informationen zu ERCAS finden Sie hier: http://bit.ly/HertieSchoolERCAS
Die Hertie School of Governance ist eine staatlich anerkannte, private Hochschule mit Sitz in Berlin. Ihr Ziel ist es, herausragend qualifizierte junge Menschen auf Führungsaufgaben im öffentlichen Bereich, in der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft vorzubereiten. Mit interdisziplinärer Forschung will die Hertie School zudem die Diskussion über moderne Staatlichkeit voranbringen und den Austausch zwischen den Sektoren anregen. Die Hochschule wurde Ende 2003 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründet und wird seither maßgeblich von ihr getragen.
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