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Mittelbayerische Zeitung: Zur Euroabstimmung: Durchhalten und hoffen
Die Furcht vor dem Machtverlust schweißt Merkels Koalition noch einmal zusammen.

Regensburg (ots)

Nur knapp hat sich Angela Merkel gestern an der Totalblamage vorbeigezittert. In der Schlacht um die Zukunft des Euro hat sie zwar einen Sieg errungen. Aber in der schwarz-gelben Koalition bleiben Schrammen und Wunden, die nur schwer verheilen werden. Das ist der Preis für den Machterhalt, denn die Alternative wäre noch viel schmerzhafter gewesen. Ein Verlust der Kanzlermehrheit bei der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm hätte nämlich die Zweifel an der Handlungsfähigkeit der Regierung regelrecht befeuert. Und die Opposition - allen voran der inoffizielle SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück - wäre immer wieder genüsslich darauf herumgeritten, dass die Sozialdemokraten Merkel zur Mehrheit verhalfen. Wie sehr der Erfolgsdruck auf der Kanzlerin lastete, lässt sich an den Repressalien auf die Abweichler in den eigenen Reihen erkennen. In der Öffentlichkeit setzte die mächtigste Frau der Welt zwar wieder das Pokerface auf. Die Kanzlermehrheit sei ihr nicht so wichtig, Hauptsache, der Rettungsschirm werde gespannt. Dann wurden den Abtrünnigen aber die Folterwerkzeuge gezeigt. Dass sich ein prominenter CDU-Abweichler wie Wolfgang Bosbach vor laufenden Fernsehkameras über die rüden Methoden der Parteifreunde beschwert, hat es in der parlamentarischen Geschichte nicht oft gegeben. Doch es ist unfair, den Kritikern des Rettungsschirms unlautere Motive vorzuwerfen. Sie sind es doch, die die Sorgen in der Bevölkerung ernst nahmen und den Bürgern eine Stimme gaben. Und die Ängste sind sehr wohl berechtigt: Überfordern all diese Rettungspakete nicht letztlich auch Deutschland als Helfer? Ist es nicht ein Verbrechen an unseren Kindern und Enkeln, Bürgschaften in ihrem Namen zu versprechen? Was passiert, wenn sich der Euro-Schirm trotz aller Milliarden-Schecks letztlich immer noch als zu klein erweist? Zu den Verdiensten der Nein-Sager zählt, dass über diese Fragen in den vergangenen Monaten überhaupt so intensiv diskutiert wurde. Dafür sollte man den Hut vor ihnen ziehen, anstatt sie intern zu mobben. Das schwarz-gelbe Lager erhielt bei der gestrigen Zitterpartie auch Schützenhilfe von unerwarteter Seite - nämlich vom Bundesverfassungsgericht. Denn viele zweifelnde Abgeordnete sind erst zu den Ja-Sagern gewechselt, weil der Bundestag neben dem Rettungsschirm auch die Parlamentsrechte bei künftigen Euro-Hilfen ausweitete. Ohne das Urteil der Karlsruher Richter hätten die Abgeordneten keine Mitsprache bekommen - und Merkel womöglich nicht die Kanzlermehrheit. Die eigenen Reihen konnte die Kanzlerin vor allem wegen des drohenden Machtverlusts schließen - diesmal noch ohne die Keule der Vertrauensfrage. Ein Debakel bei der Euro-Abstimmung hätte durchaus der erste kippende Stein in einem Regierungs-Domino werden können, an dessen Ende Neuwahlen stehen. Doch nichts müssen Union und FDP angesichts der aktuellen politischen Stimmung mehr fürchten. Bei Merkels Juniorpartner geht die nackte Angst um, bald auch bundesweit auf das Prozentniveau einer Splitterpartei zu stürzen. Neuwahlen, wie sie Ex-Kanzler Gerhard Schröder nach einer Serie von rot-grünen Wahlschlappen ausrief, kämen für Merkel und Vizekanzler Philipp Rösler einem politischen Harakiri gleich. Im Gegensatz zu Schröder, dessen SPD sich nach der Wahlniederlage in die große Koalition retten konnte, verlöre Merkel jede Machtoption: Die FDP wäre nicht mehr vorhanden, die Sozialdemokraten wollen selbst den Kanzler stellen, und von den Grünen ist die Union inzwischen wieder so weit entfernt wie zu den Zeiten Helmut Kohls. Also heißt es für Schwarz-Gelb in der zweiten Halbzeit: Durchhalten bis 2013 und hoffen, dass bis dahin die Schecks für die Euro-Pleite-Staaten Wirkung zeigen. Sonst würde Merkels politische Karriere so ruhmlos enden wie die ihres einstigen SPD-Rivalen. Schröder wurde als Agenda-Kanzler abgewählt. Merkel droht dasselbe Schicksal als Rettungs-Kanzlerin.

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