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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar/Leitartikel/Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zur FDP

Regensburg (ots)

Die Freidemokraten praktizieren derzeit eine Art politischer Selbstenthauptung, wie es sie in der jüngeren Parteiengeschichte noch nicht gegeben hat. In größter Verzweiflung und das drohende parlamentarische Aus vor Augen wird geholzt, mit faulen Eiern geworfen und am Stuhl des noch kein Jahr auf dem Chefsessel sitzenden Philipp Rösler gesägt, dass es einen graust. Es geht um Personen, Programme und Prozentpunkte. Die FDP steht am Abgrund. Bald schon könnte sie einen Schritt weiter sein, kalauern bereits Liberale mit dem Hang zu schwarzem Humor. Vor allem die beiden prominentesten Kritiker der jetzigen Berliner Parteiführung, Wolfgang Kubicki und Christian Lindner, sind drauf und dran, die Partei aufzumischen. Beide Landtagsspitzenkandidaten, der eine in Schleswig-Holstein, der andere in Nordrhein-Westfalen, machen kein Hehl daraus, dass sie Rösler lieber heute als morgen stürzen würden. Drohend wird bereits für den Parteitag in zwei Woche in Karlsruhe "neues Denken" angekündigt. Was immer das heißen mag. Durchaus möglich, dass der "nette" Herr Rösler bereits auf diesem Kongress den Parteivorsitz wieder verliert. Wenn sich Kubicki und Lindner, mit dem größten Landesverband im Rücken, dadurch Chancen versprechen, werden sie Rösler opfern. Allerdings, gewonnen wäre damit gar nichts. Die FDP irrlichtert weiter. Einst wurde sie von Guido Westerwelle zu grandiosen Erfolgen geführt, zugleich aber auch zu einer Partei der sozialen Kälte, zum reinen Steuersenkungsverein umgemodelt. Die Breite des deutschen Liberalismus verkümmerte - und alle machten mit. Einschließlich der Wähler, die sich von Westerwelle mehr Netto vom Brutto versprachen. Obwohl längst die Finanzkrise tobte. Vermutlich werden die Liberalen künftig verstärkt auch mit sozialen Themen locken wollen. Das trotzige Nein zu einer Schlecker-Auffanggesellschaft, wie von Philipp Rösler oder dem bayerischen Wirtschaftsminister Martin Zeil propagiert, passt dann freilich nicht mehr ins liberale Konzept. Und es gibt bereits Stimmen in der FDP, die offen für den flächendeckenden Mindestlohn werben. Das wäre noch vor zwei Jahren undenkbar gewesen. Kommt dieser Schwenk zu einer sozialeren FDP zustande, wofür einiges spricht, dann würde die Partei allerdings nur das nachholen, was etwa die Union längst vorgemacht hat. Die anderen Parteien punkten längst mit arbeitnehmerfreundlichen Themen. In der sozialen Wärmestube wird es eng. Die CDU-Vorsitzende und unbestrittene Nummer 1 der Union, Angela Merkel, ist dabei, alle Themen abzuräumen, die Arbeitnehmer oder Rentner vergraulen könnten. Sie will der SPD keine Angriffsflächen für einen polarisierenden Wahlkampf bieten. Koste es, was es wolle. Dem öffentlichen Dienst wurde rasch ein sattes Plus genehmigt, Ruheständler dürfen sich im Sommer auf einen Zuwachs freuen. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis CDU und CSU auch offiziell Kurs auf eine höhere Besteuerung von Superreichen oder einen verbindlichen Mindestlohn nehmen. Von den anderen, von SPD, Grünen, Linken oder Piraten ganz zu schweigen. So viele sozialdemokratische Parteien hatte Deutschland noch nie. Die Krux der FDP ist nun, dass sie ausgerechnet in einem Umfeld, in dem eine politische Kraft des Wirtschaftsliberalismus nahezu ausfällt, mit den Rezepten der Konkurrenz hausieren gehen wird. Doch, um nicht völlig abzustürzen, dürften die Liberalen jetzt genau zu diesem Strohhalm greifen.

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