Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Endlager-Suche: Tief unter die Erde
Regensburg (ots)
Von wegen Ruhe an der Anti-Atom-Front: Die Energiewende und der Beschluss über die Abschaltung der Kernkraftwerke haben noch längst nicht den gesellschaftlichen Frieden gebracht, den sich die Politik nach dem Reaktorunglück von Fuku-shima herbeigesehnt hatte. Zwar ist der Konflikt um den Betrieb der Atommeiler im Augenblick aus dem Zentrum der Auseinandersetzung gerückt. Dafür sorgt jetzt aber die Frage nach einem nuklearen Endlager zunehmend für Zündstoff. Die Büchse der Pandora haben wir schon vor Jahrzehnten geöffnet: Seit Beginn des Atomkraft-Zeitalters in Deutschland wächst der radioaktive Müllberg von Tag zu Tag. Es besteht zumindest politische Einigkeit darüber, dass der strahlende Abfall in einem unterirdischen Depot verschwinden muss, das Sicherheit für sehr lange Zeiträume bieten soll. Gemessen am Stand der Debatte in anderen Atomstaaten ist das schon ein immenser Fortschritt. In Russland etwa wird der radioaktive Müll wohl noch auf lange Sicht ganz selbstverständlich an der Oberfläche in Gebäuden gelagert, die den Sicherheitsstandard von Sporthallen besitzen. Diese riskante Variante, in der das Zwischenlager gewohnheitsmäßig zur Langzeitdeponie wird, darf um keinen Preis zum Dauerzustand werden - schon gar nicht im dicht besiedelten Deutschland. Deshalb müssen wir uns der Verantwortung stellen, und den radioaktiven Abfall so lagern, dass davon auch für künftige Generationen möglichst wenig Gefahr ausgeht. Darauf zu hoffen, dass der Atommüll durch neue Technologien wie die viel diskutierte Transmutation irgendwann unschädlich gemacht werden könnte, wäre grob fahrlässig. Denn niemand kann heute sagen, ob diese Technik auch so funktioniert, wie ihre Befürworter erhoffen. Den besten Schutz bietet ein Endlager tief unter der Erde in einer geologisch stabilen Gesteinsformation. Auch wenn kaum ein Experte eine Sicherheitsgarantie für die Ewigkeit geben wird: Von allen diskutierten Varianten ist die Lagerung Untertage die aus ethischer Sicht beste Lösung. Dennoch wird es noch mindestens drei Jahrzehnte dauern, bis in der Bundesrepublik ein Atommüll-Endlager in Betrieb gehen kann. Und bis dahin wird es noch zahlreiche Großkonflikte geben. Denn schon bei der Standortsuche scheiden sich die Geister. Verschon' mein Haus, zünd' andere an - das St. Floriansprinzip lässt bei der Frage grüßen, wo das nationale Atomdepot gebaut werden soll. Ob es tatsächlich zu einer "tabulosen" neuen Standortsuche auf der "weißen Landkarte" kommen wird, kann heftig bezweifelt werden. Wie soll man es sonst interpretieren, dass die bayerische Staatsregierung schon einmal vorsorglich darauf verweist, dass es im Freistaat keine geeigneten Bergwerksstollen für ein Endlager gebe? Auch in den anderen Bundesländern werden die Spitzenpolitiker davor zurückscheuen, dass die Bürger gegen ein Endlager vor ihrer Haustüre auf die Barrikaden gehen. Das spricht dafür, dass es letztlich doch auf Gorleben hinausläuft - neben den 1,6 Milliarden Euro, die dort bereits bei der Erkundung verbuddelt wurden. Doch egal, welcher Standort es letztlich wird: Auch wenn das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet ist, werden noch für lange Zeit Castor-Transporte quer durch die Republik rollen - zum nuklearen Super-Sarkophag. Und die Politik muss damit rechnen, dass nicht nur entlang der Transportrouten auch künftig heftig protestiert wird. Vielmehr noch könnte das künftige Nuklear-Depot zu einer Pilgerstätte der Anti-Atom-Bewegung werden. Man könnte es den Kernkraftgegnern nicht verübeln: Die Bilder aus der Asse, in der Atomfässer in einer Salzbrühe vor sich hinrosten, haben sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Sämtliche Kontrollsysteme haben dort über Jahrzehnte versagt. Der Umgang mit der Asse ist ein Skandal, der das Vertrauen in die Atompolitik zutiefst erschüttert. Die Politik muss die Lehren daraus ziehen: Geheimniskrämerei und Vertuschung dürfen sich nicht wiederholen. Bei der Endlagerfrage müssen von Anfang an Sicherheit, Ehrlichkeit und Transparenz die obersten Gebote sein. Autor: Stefan Stark
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