Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Koalition: "Geschüttelt, nicht gerührt"
Regensburg (ots)
Wenn James Bond seinen Lieblingsdrink bestellt, will er ihn geschüttelt, nicht gerührt. Drei Teile Gin, einen Teil Wodka und einen halben Teil Kina Lillet, so lautet das Rezept für seinen Wodka Martini. Ein großer, ein kleinerer und ein noch kleinerer Teil, nach massiven Erschütterungen sehr gekühlt serviert - fast möchte man meinen, "007"-Erfinder Ian Fleming habe CDU, FDP und CSU im Sinn gehabt. Kühl ist das Klima im Beziehungsgeflecht allemal, beizeiten sogar eiskalt, wie die Öffentlichkeit erleben konnte, als die Bundeskanzlerin in kurzen Sätzen ihren einstigen Vorzeigeminister Norbert Röttgen abservierte. Daher war der "Klima-Gipfel" gestern im Kanzleramt dringend notwendig. Die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler wollten am Image der christlich-liberalen Koalition feilen. Sie werden eher mit der groben Raspel ans Werk gehen müssen. Die Fronten sind verhärtet, bei vielen Streitthemen ist eine Einigung nicht in Sicht, wenn nicht gar ausgeschlossen. Das hat nicht nur sachliche, sondern auch strategische Gründe. Schwarz-Gelb ist eigentlich schon im Wahlkampf. 2013 wird der Bundestag gewählt und in Bayern der Landtag. Da zählt nur eins: der eigene Vorteil. Vor allem die CSU versucht dabei, zu holen, was sie kriegen kann. CSU-Chef Seehofer leidet noch heute fast körperlich daran, dass die FDP seiner Partei in Bayern die absolute Mehrheit abgeluchst hat. Er hat deshalb entgegen aller Beteuerungen nichts unversucht gelassen, sich und seine Partei gut, die FDP dagegen schlecht aussehen zu lassen - daheim wie in Berlin. Allerdings spielen auch die Liberalen nicht in der Liga der außergewöhnlichen Gentlemen. Es zeugt von schlechtem Stil, über den Koalitionspartner als Frosch zu sprechen, den man so lange auf kleiner Flamme im Topf kocht, bis er nicht mehr entkommen kann. FDP-Chef Rösler hat dieses Bild geprägt, und er wird neue Bilder finden, jetzt, da seine Partei dem parlamentarischen Tod ein weiteres Mal von der Schippe gesprungen ist. Seit gestern lautet die Devise aber erst einmal: Schwamm drüber! Nach der Aussprache im Kanzleramt bekunden CDU, CSU und FDP wieder einmal den schon so oft bekundeten Wunsch, geschlossen in die Zukunft zu gehen. Wir wollen gemeinsam an einem Strang ziehen: Es ist das Mantra dieser Koalition geworden. Mantras helfen beim Meditieren. Beim Regieren muss der Nutzen zumindest infrage gestellt werden. Die Erfahrung der vergangenen knapp drei Jahre lässt wenig Gutes erwarten. Schwarz-Gelb will, so hieß es gestern, die "großen Linien" in der Europa- und der Bundespolitik in den Blick rücken. Das klingt gut, ist aber nur so etwas wie eine Absichtserklärung, die verdeckt, dass die vielen Differenzen ungelöst bleiben werden, weil die Zeit und die Gemeinsamkeiten sich dem Ende zu neigen. CDU, CSU und FDP haben das Schütteln, nicht das Rühren zum Prinzip gemacht: Es braucht viel Lärm und viel Erschütterung, um am Ende doch noch etwas zustandezubringen. Bei einen James-Bond-Martini soll das Schütteln für einen besseren Geschmack sorgen, ist der Drink doch recht rass im Abgang. Rasse Abgänge sollte auch die Bundesregierung vermeiden. Nicht, dass der Wähler am Ende etwas anderes bestellt. Autor: Christian Kucznierz
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