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Mittelbayerische Zeitung: Alles muss raus! Steinbrück macht's möglich: Die Koalition will bis November alle strittigen Themen abräumen. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Zwischen den drei Parteichefs der Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP werden zurzeit mehr Telefonate geführt und mehr Kurznachrichten verschickt, als in früheren Zeiten. Wie auf einer Resterampe sollen strittige Themen flugs abgearbeitet werden. Alles muss raus! Der Grund dieser plötzlichen Regsamkeit vor Jahresende sind nicht nur die strittigen Themen selbst, die Schwarz-Gelb vor sich herschiebt wie unerledigte Hausaufgaben in der Schule, sondern auch der unbequeme sozialdemokratische Herausforderer der Kanzlerin. Auf den gutbürgerlichen Sozialdemokraten, Vortragsreisenden und Finanzmarktbändiger Peer Steinbrück hat man in Union und FDP noch keine adäquate Antwort und keine erfolgverheißende Gegenstrategie gefunden. Zumindest sollen nun in Windeseile die heißen politischen Eisen - vom Betreuungsgeld, Praxisgebühr, Zuschussrente bis zu den Energiekosten - angefasst und bis zum November geklärt werden - um Steinbrück keine billige Wahlkampfmunition zu liefern. Es stimmt also doch: Konkurrenz belebt das politische Geschäft. Oder: der unerwartete Sozi-Kanzlerkandidat macht den pomadigen Schwarz-Gelben Beine. Gut so. Nun will die christlich-liberale Regierungs-Troika am 4. November endlich Nägel mit Köpfen machen, heißt es jetzt in Berlin. Ganz sicher ist das Spitzentreffen an dem Sonntag in knapp zwei Wochen allerdings noch nicht. Es sind im Vorfeld sogar noch einige mittelgroße Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Dass der angeschlagene FDP-Chef Philipp Rösler schon mal kräftig auskeilte und vieles via Interviews madig machte, was von Schwarz-Gelb längst beschlossen ist - etwa das Betreuungsgeld -, gehört zum üblichen Pokerspiel. Jeder möchte aus einem Koalitionsgipfel als Sieger hervorgehen. Nur überziehen darf dabei auch keiner. Er stünde nämlich hinterher als Maulheld mit leeren Händen da. Die in der Union unangefochtene CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel tourt derzeit als eine Art Kanzlerpräsidentin und oberste Euro-Retterin durch Regionalkonferenzen der CDU-Basis. Eigentlich wollte sich Deutschlands beliebteste Politikerin mit dem europäischen Zukunftsthema und der Euro-Schuldenkrise sozusagen unangreifbar machen und nach der Wahl 2013 wiederum ins Kanzleramt einziehen. Die Aussichten dafür sind weiterhin nicht schlecht. Allerdings ging Teil 2 der CDU-Wahlkampfstrategie bereits schief. Das "Abtropfenlassen" der anderen politischen Themen, sozusagen des "Kleinkrams", wird ihr der SPD-Herausforderer Steinbrück nicht durchgehen lassen. Die detailverliebte und auch kenntnisreiche Kanzlerin wird sich einer thematisch breiten Wahlkampfauseinandersetzung stellen müssen. Auch das kann der Demokratie nur gut tun. Den bayerischen Christsozialen wiederum kommt im schwarz-gelben Koalitionstrio der nicht unriskante Part des Taktvorgebers zu. Bayern wird, auch wenn die Wahltermine im nächsten September noch nicht offiziell sind, zwei Wochen vor der Bundestagswahl an die Wahlurnen treten. Holt die CSU unter dem wiedererstarkten Horst Seehofer die absolute Mehrheit in Freistaat zurück, wäre das auch ein ordentlicher Schub für die Union insgesamt. Geht die Wiedereroberung der alleinigen Macht allerdings schief, bedeutete dies einen gehörigen Dämpfer für Merkel. Hinzu kommt die Schwierigkeit, sowohl traditionelle Wählerschichten anzusprechen, als auch in neuen und bunten, etwa in großen Städten, Fuß zu fassen. In Stuttgart, München oder Berlin ist die Union nicht mehr mehrheitsfähig. Merkels Antwort auf dieses Dilemma lautet: So viel Union wie möglich, und so viel - quasi sozialdemokratische - Gerechtigkeit wie nötig.

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