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Mittelbayerische Zeitung: Romneys Versöhnungsangriff Der Herausforderer verspricht ein Ende der Grabenkämpfe - eine Finte, die Obama gefährlich werden kann. Leitartikel von Christian Kucznierz

Regensburg (ots)

Ginge es nach dem Willen der Bundesbürger, so verhielte es sich mit der US-Wahl 2012 so wie mit dem Roman "Chronik eines angekündigten Todes": Der Ausgang steht von Anfang an fest, es geht nur mehr um die Frage, wie es dazu kam. In dieser Version wäre Barack Obama wiedergewählt und alles, was davor geschah, dient der Illustration, warum es so kommen musste. So einfach aber ist es leider nicht. Denn erstens hat Mitt Romney in der Gesamtbilanz der drei Debatten keine schlechte Figur gemacht. Im Gegenteil. Er schlug den Amtsinhaber klar im ersten TV-Duell; im zweiten und dritten konnte er zwar nicht mehr wirklich punkten. Aber er hat auch nicht total versagt. Wie hätte er zum Beispiel auch einem Präsidenten beikommen wollen, der drei Jahre Erfahrung als Führer einer Nation hat, die in Afghanistan noch in einem Krieg steht, den im Irak beendet hat und den Terrorfürsten Osama bin Laden getötet hat? Romneys Strategie im letzten Duell musste es sein, gegenzuhalten. Diese Mission hat er erfüllt. Obama dagegen hat seinen Patzer im ersten Fernsehduell schnell vergessen machen können. Wer die Debatten vergangene Woche und am frühen Dienstagmorgen verfolgt hat, konnte einen Präsidenten erleben, der durchaus angriffslustig sein konnte, der souverän wirkte, ohne abgehoben zu sein. Aber das allein hat ihm noch lange nicht die Miete für das Weiße Haus für die nächsten vier Jahre gesichert. Der vielleicht wichtigste und gefährlichste Satz der dritten und letzten TV-Debatte kam aus dem Mund des Herausforderers. "Washington ist zerrüttet", sagte Romney in die Kamera. Er könne diesen Zustand beheben, weil er in seiner Zeit als Gouverneur von Massachusetts bewiesen habe, dass er als Republikaner mit Demokraten gemeinsam für ein Ziel zusammenarbeiten kann. Das klingt erst einmal ziemlich platt. Ist es aber nicht. Für viele Amerikaner ist Washington fast schon zu einem Unwort geworden. Die Hauptstadt steht für abgehobene Parteienränkespiele, für Streit um des Streits willen, dafür, dass die Politik vergessen hat, für die Menschen da zu sein und nicht umgekehrt. In der Tat ist die politische Lage in den USA derzeit so gespalten wie vielleicht noch nie in der jüngeren US-Geschichte. Das hat auch, aber nicht nur damit zu tun, dass Obama der erste schwarze US-Präsident ist. Es hat auch damit zu tun, dass in der derzeitigen Krise der US-Wirtschaft eine tiefe Verunsicherung im Land herrscht. Der amerikanische Traum, nach dem es die kommende Generation immer besser haben sollte als die vorangegangene, scheint für viele wirklich nur noch ein Traum zu sein. Der harte Wahlkampf ist ein Spiegel dieser Verunsicherung, die Polarisierung eine ihrer Folgen. Schuld an dieser Ausgangslage sind nicht zuletzt die Republikaner, oder zumindest die zunehmend einflussreichen Ultra-Rechten, um deren Gunst auch Romney lange werben musste. Sie waren es, die mit allen Mitteln versuchten, die verhasste und als "sozialistisch" gebrandmarkte Politik des Präsidenten zu blockieren. Und nun bedient sich ihr Kandidat für das Präsidentenamt einer Finte. Er wendet sich ab von der Politik der Spaltung und verspricht, das alles zu ändern. Zusammen mit seinem Versprechen, die brachliegende Wirtschaft wieder in Gang zu bekommen, ist dies eine hochbrisante Mischung für Barack Obama. Es verwundert kaum, dass er erneut versucht hat, Romney als nicht glaubwürdig darzustellen, als einen, der alles verspricht, was gerade opportun ist, um dann am Ende doch das zu machen, was er seiner Partei versprochen hat: Steuern senken, den Staat verschlanken, mehr Geld ins Militär stecken, außenpolitisch härter auftreten - egal, ob diese Rezepte nicht vielleicht wirklich schuld an der Misere sind, in der die USA stecken. Obama hat die letzten beiden TV-Duelle gewonnen; er hat die überzeugenderen Argumente geliefert. Romneys Werben um die Mitte hat er nicht aufhalten können. Das könnte in diesen unglaublich knappen Wahlkampf am Ende noch für Überraschungen sorgen. Nicht nur bei den deutschen Beobachtern.

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