Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Tod von Hugo Chávez: Ein schwieriges Verhältnis schon Thomas Spang
Regensburg (ots)
Die USA hoffen nach dem Tod von Chávez auf einen Neuanfang in den Beziehungen zu der ölreichen Nation.
Hugo Chávez rangiert auf der Beliebtheitsskala der Amerikaner gleich hinter dem kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro. Mit seinem giftigen Anti-Amerikanismus und regelmäßigen Ausfällen gegen die Präsidenten der Supermacht machte sich "El Comandante" in den USA nur wenige Freunde. George W. Bush verglich er 2006 vor den Vereinten Nationen mit dem Leibhaftigen. Und Präsident Barack Obama nannte er vor nicht allzu langer Zeit noch einen Clown. Kein Wunder, dass abgesehen von Sean Penn, Oliver Stone und Michael Moore dem Verstorbenen kaum jemand eine Träne nachweint. Obama erwähnt ihn genau ein einziges Mal in dem Statement zum Tod des venezolanischen Präsidenten. Kein Wort zu der zentralen Rolle, die Chávez in den vergangenen 14 Jahren in Lateinamerika spielte oder den selbst von seinen Gegnern nicht bestrittenen Leistungen bei der Bekämpfung der Armut in seinem eigenen Land. Stattdessen richtet das Weiße Haus den Blick nach vorn auf "ein neues Kapitel" in den Beziehungen. Die USA blieben einer Politik verpflichtet, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte respektiert. Zwischen den Zeilen lässt sich herauslesen, wie sehr der sozialistische Narziss aus Caracas die Supermacht genervt hat. Chávez nutzte die Petro-Dollar, die er als einer der Hauptöllieferanten in den USA einnahm, offensiv, den Einfluss der Nordamerikaner in der südlichen Hemisphäre zurückzudrängen. Sehr zum Ärger Washingtons half er dem kommunistischen Regime auf Kuba, zu überleben. Gleichzeitig überzeugte er linke Regierungen in anderen Staaten Lateinamerikas, dass es eine Alternative zu der von den USA erträumten Freihandelszone von Alaska bis Feuerland gebe. Dass der Kontinent heute seine eigenen Wege geht, ist aber nur zum Teil das Verdienst Chávez , der mit seiner flamboyanten Selbstgefälligkeit auch in den Nachbarstaaten aneckte. Sehr viel nachhaltiger dürfte der Einfluss des Brasilianers Lula gewesen sein, der mit ruhiger Hand und ohne öffentliche Ausfälle die enormen Ressourcen seines Landes nutzte, neue Wege bei der Armutsbekämpfung und auf internationaler Bühne zu beschreiten. Egal, wie sich die Gewichte verteilen, aus Sicht Washingtons ist das Ergebnis in jedem Fall unerfreulich. Die 1994 auf dem Amerika-Gipfel in Miami formulierte Vision eines gemeinsamen Wirtschaftsraums mit offenen Märkten und liberalen Demokratien ist heute nur noch eine ferne Erinnerung. Und um die Kontrolle auf dem Hinterhof der Supermacht konkurriert heute eine Vielzahl an politischen Kräften. Was sich nicht verändert hat, ist die Abhängigkeit der USA von den Öllieferungen aus Venezuela, das eine der 2,5 Millionen Barrel Rohöl, die es jeden Tag aus der Erde pumpt, an Onkel Sam verkauft. Nur wenige Amerikaner wissen von den kostenlosen Heizhilfen, mit denen Chávez via CITGO armen Nachbarschaften in den USA half. Propaganda einerseits, aber auch Ausdruck der Hassliebe, die den "Comandante" mit der Supermacht verband. Nach seiner ersten Wahl reiste er nach New York, um an der Wall Street die Glocke zur Eröffnung der Börse zu schlagen und eröffnete als lebenslanger Baseballfan ein Spiel im Stadion der Yankees. Einmal empfing ihn sogar Bill Clinton im Weißen Haus. Dass er andererseits Diktatoren wie Saddam Hussein, Bashar al-Assad, Muammar Gaddafi oder Mahmud Ahmadinejad hofierte, unterstrich Chávez eigenen Komplex gegenüber der Supermacht. Die Ausweisung der beiden US-Diplomaten am Vorabend seines Todes wegen angeblicher Destabilisierungsversuche lässt befürchten, dass vor einem neuen Kapitel in den Beziehungen, dem alten ein paar Seiten hinzugefügt werden.
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