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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Armutszuwanderungsdebatte: "Propaganda aus München zum Billigtarif" von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

"Wer betrügt, der fliegt." So heißt es flott im CSU-Papier, das auf dem Treffen der Landesgruppe im Wildbad Kreuth behandelt werden soll. Der Armutseinwanderung aus den beiden - von den Christsozialen immer scheel angesehenen - Ländern Bulgarien und Rumänien müsse ein starker Riegel vorgeschoben werden und Sozialmissbrauch bekämpft werden, heißt es bei den Seehofer, Dobrindt, Hasselfeldt und Co. in lange nicht gehörten markigen Worten. Allerdings ist das vor allem Propaganda zum Billigtarif mit dem festen Blick auf die Kommunalwahlen in Freistaat im März und die Europawahl im Mai. Dass die bayerische Staatspartei die Furcht vor Zuwanderung aus der EU schürt, löst das wirkliche Problem dahinter nicht, sondern zeigt vielmehr den Verlust an politischer Substanz der Christsozialen selbst. Dabei ist Armutszuwanderung in das deutsche Sozialsystem tatsächlich ein Problem, mit dem vor allem betroffene Kommunen nicht allein gelassen werden dürfen. Dass die CSU freilich eine Horrorvision von hunderttausenden Menschen zeichnet, die in Bulgarien und Rumänien auf gepackten Koffern sitzen, um morgen nach München, Düsseldorf und Berlin zu fahren, ist irreführend. Ähnliche Debatten gab es in den 80er Jahren, als man befürchtete spanische und portugiesische Bauleute würden die deutsche Bauwirtschaft platt machen. Genausowenig haben polnische Arbeitskräfte vor ein paar Jahren den deutschen Arbeitsmarkt überflutet. Die Freizügigkeit von Waren, Kapital und Menschen war und ist ein wesentliches Fundament der Europäischen Union. Sie ist Anspruch und Ziel zugleich. Wer das nun auch nur einem Mitgliedsland auf Dauer verwehren will, sollte das klar sagen. Wer sich dagegen nicht mit Angstparolen abspeisen lässt, sondern die Fakten zur Kenntnis nimmt, wird erkennen, dass auch aus den beiden Ländern vor allem junge, relativ gut ausgebildete Leute in die anderen EU-Länder streben. Das demografische Problem Deutschlands kann zwar durch Zuwanderung nich behoben, wohl aber gemildert werden. Menschen freilich, die in die reicheren EU-Länder gehen und dort die Sozialsysteme austricksen, Dokumente fälschen, Leistungen erschleichen, gibt es natürlich auch. Nur vergisst die CSU, ausdrücklich zu erwähnen, dass diejenigen, die neu und ohne Job nach Deutschland kommen, ohnehin drei Monate lang überhaupt keinen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen haben. Und danach in der Regel auch nicht. Außerdem hat sich die schwarz-rote Koalition längst auf eine Wiedereinreisesperre für Zuwanderer verständigt, die hierzulande Sozialbetrug begehen. Die Crux ist doch vielmehr, dass notorische Betrüger von einem Sozialamt zum nächsten, von einem Bundesland in das andere ziehen. Flotte Sprüche helfen dagegen nicht, sondern ein vernünftiger Informationsaustausch über Behörden- und Ländergrenzen hinweg. Außerdem drängt sich die Vermutung geradezu auf, dass die Christsozialen den politischen Gewichtsverlust auf der Bundesbühne nun mit besonderer, populistischer Forsche auszugleichen trachten. Das für Zuwanderungsfragen zuständige Innenministerium etwa musste die CSU im Berliner Postengerangel drangeben. Und im Verkehrsressort hat Ex-Generalsekretär Alexander Dobrindt die undankbare Aufgabe, eine Pkw-Maut für Ausländer hinzubekommen. Auch dass ist eine populäre Aufgabe, die freilich nur schwer zu bewerkstelligen ist.

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