Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu Bundeswehr
Regensburg (ots)
Werden nun in Deutschland die letzten Männer-Bastionen geschleift? Sich offen schwul bekennende Kicker auf dem Rasen versetzen die Republik in Wallung. Und nun legt die "Mutter der Armee" Ursula von der Leyen mit ihrem Vorstoß für eine familienfreundlichere Bundeswehr gleichsam Hand an eine weitere Männer-Domäne. Doch gemach, in dem einen wie im anderen Fall handelt es sich nicht um Anti-Macho-Revolutionen, sondern um längst überfällige Klärungen in einer modernen, selbstbewussten, toleranten Gesellschaft. Der stressige und bisweilen lebensgefährliche Beruf von Soldatinnen und Soldaten darf nicht länger so familienfeindlich sein, wie er es zurzeit noch ist. Und Fußballer, die im Privatleben Männer lieben, sollten genauso selbstverständlich sein, wie es Soldatinnen in der Truppe sind. Mit dem Schleifen von Männerbastionen hat beides nichts zu tun, sondern eher mit notwendiger Emanzipation. Und mehr Familienfreundlichkeit ist für die durch viele Reformen verunsicherte Truppe längst überfällig. Verteidigungsministerin "Röschen" von der Leyen, die gleich mit voller Kraft ins neue, weithin unbekannte Militärressort startete, bleibt sich ihrem politischen Grundansatz treu: Die einstige Arbeits- und Sozialministerin will Politik für und mit den Menschen machen, für die sie verantwortlich ist. Von der Leyens Kritiker mögen ihr dabei kaltes Karrierekalkül unterstellen. Doch was ist eigentlich dagegen zu sagen, wenn eine Politikerin ihren Job von den Menschen her denkt und ausübt? Auch für die Politik gilt sinngemäß der Spruch: Der Soldat, der nicht General werden will, ist kein besonders guter. Wenn sich Ursula von der Leyen, die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt über 185 000 Soldatinnen und Soldaten, nun verstärkt der sozialen Seite des Militärberufs annimmt, klingt das zwar noch etwas ungewohnt, es ist freilich notwendig. Die Berufsarmee muss sich im Wettbewerb um die besten Leute mit der Wirtschaft, mit dem sonstigen öffentlichen Dienst messen können. Die Zeiten, in denen die Armee aus einem großen Reservoir von Wehrpflichtigen die Besten auswählen konnte, sind vorbei. Zudem ist die heutige moderne Bundeswehr mit zig Auslandseinsätzen eine andere als die "Friedensarmee" aus den Zeiten des Kalten Krieges. Der Dienst verlangt, trotz moderner Technik, heute mehr ab. Die Bundeswehrreformen der vergangenen zwei Jahrzehnte haben zudem nicht für Ruhe und Sicherheit in der Truppe gesorgt, sondern eher für das Gegenteil. Versetzungen, bisweilen unsinnige Standortschließungen, Wochenendpendler sind häufig die Regel. Ein, zumindest halbwegs, geordnetes Familienleben für Soldaten ist die Ausnahme. Eine bessere Balance zwischen Dienst- und Familienleben, die Kita in der Kaserne, Teilzeit für Soldaten und Soldatinnen - all das klingt für Langgediente in Politik und Armee vielleicht wie "Gedöns", es sind gleichwohl wichtige, "weiche" Faktoren für die Bundeswehr der Zukunft. Und die forsche Ministerin wird sich daran messen lassen müssen, ob sie aus ihren schönen Ankündigungen militärische Realität werden lässt. Und das "Drohnen-Problem", über das ihr Vorgänger Thomas de Maizière fast gestrauchelt wäre, scheint von der Leyen überlegt und ohne Eile lösen zu wollen. Zum Schutz der Soldaten im gefährlichen Auslandseinsatz sind unbemannte Hightech-Aufklärungsflieger notwendig. Das Töten von Gegnern - und leider oft auch unbeteiligten Zivilisten - mittels Kampf-Drohnen ist etwas völlig anderes. Davon muss die Bundeswehr die Finger lassen.
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