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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Martin Anton zur Lage im Nahen Osten

Regensburg (ots)

Eben noch war von Ruhe die Rede, von Deeskalation und Friedensbemühungen. Dann, fast von heute auf morgen, von Vergeltung und Rache - und schon fliegen Raketen, Kampfflugzeuge und alle guten Vorsätze über Bord. Die erneute Eskalation des Nahostkonflikts erscheint plötzlich und unerwartet und lässt die Welt über die Explosion von Gewalt und Gegengewalt staunen. Dabei schauen Europa, die USA und die UN schon seit Monaten dabei zu, wie Schritt für Schritt die Spannung zwischen Israel und Palästina sich weiter auflädt. Sicher, die Entführung und Ermordung der drei israelischen Schüler war der Auslöser für die aktuellen Kämpfe. Doch schon die Reaktion der israelischen Streitkräfte ließ erahnen, dass es um mehr als nur die Suche nach drei Vermissten geht. Die Soldaten räumten im Westjordanland auf, nahmen dutzende Hamas-Mitglieder fest, sprengten Häuser und hinterließen nicht nur Verwüstung, sondern auch mehrere Tote - ohne einen Beweis vorzubringen, dass die Jungen tatsächlich von der Hamas entführt worden waren. Bis heute hat sich niemand zu den Morden bekannt. Auch wenn der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas zu Anfang der Razzien Israel bei der Suche unterstützte, an die Entführer appellierte: Die im Juli 2013 von US-Außenminister John Kerry initiierten Friedensverhandlungen stockten schon länger, die Lage war wegen der jüngsten politischen Ereignisse in Palästina angespannt. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu konnte Abbas nicht verzeihen, dass er sich im April mit der nicht nur von Israel als Terrororganisation geächteten Hamas versöhnt hatte und im Juni gar eine Einheitssregierung mit ihr bildete. Doch auch die palästinensische Seite hatte im vergangenen Jahr immer wieder Gründe gefunden, die vielversprechend gestarteten Friedensgespräche auf Eis zu legen. Ganz oben auf der Liste steht der von Netanjahu offen und aggressiv betriebene israelische Siedlungsbau. Für den israelischen Ministerpräsidenten stand der offenbar in keinerlei Widerspruch zum Friedensprozess, obwohl die Bagger und Baukräne Meter für Meter Tatsachen schaffen, den direkt betroffenen Palästinensern die Lebensgrundlage rauben und mit Blick auf eine angeblich anvisierte Zweistaatenlösung nicht mehr viel Staat für Palästina übriglassen. All diese Nebenschauplätze hätten nicht zum Abbruch der Friedensgespräche geführt, wenn die USA den Prozess weiter so intensiv begleitet hätten wie zu Beginn von Kerrys Amtszeit als Außenminister. Wie schon seine Vorgänger engagierte er sich in den ersten Monaten nach seiner Vereidigung intensiv für eine Beilegung des Nahost-Konflikts, nur um - ebenso wie die meisten seiner Vorgänger - einige Monate später entnervt aufzugeben. Auch als israelische Soldaten im Westjordanland auf alle Rechtsstaatlichkeit pfiffen, als die Leichen der drei Jungen gefunden wurden und als ein palästinensischer Junge bei lebendigem Leibe verbrannt wurde, hielt die internationale Gemeinschaft bemerkenswert still. Als ob man mit einer Einmischung den entscheidenden Beitrag zu einer Eskalation hätte leisten können. Doch die Hamas hat schon aus geringeren Anlässen Raketen gezündet und die Kriegsbereitschaft in Israel ist nach den jüngsten Ereignissen so groß wie lange nicht mehr. Die Zahl der Toten, - die Mehrzahl von ihnen Zivilisten - auf palästinensischer Seite steigt stündlich, ohne dass der Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen weniger wird. Israel zieht seine Bodentruppen zusammen an der Grenze zusammen. Mit einem Einmarsch wäre der vor einem Jahr begonnene Friedensprozess endgültig beendet und all die zwischenzeitliche Besonnenheit auf beiden Seiten ergebnislos. Um das zu verhindern, brauchen beide Konfliktparteien Hilfe von außen.

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